Smashed to pieces

Matthias Dusini
Versendet am 06.12.2021

Der Künstler Christian Rosa ist ein Schwindler. In den offiziellen Lebenslauf schrieb er 1982 als Geburtsjahr. Die Beamten des FBI kennen seinen Ausweis, und dort steht 1978. Diese Manipulation ist Rosas kleinstes Problem. Wie Artnet Anfang des Jahres und Der Standard Mitte Oktober berichteten, ist die US-Ermittlungsbehörde FBI aus ganz anderen Gründen hinter ihm her.

Rosa ist in Wien aufgewachsen und begann ein Malereistudium an der Akademie der bildenden Künste. Er soll Bilder seines US-amerikanischen Kollegen und Freundes Raymond Pettibon gefälscht und, mit ebenfalls manipulierten Zertifikaten versehen, verkauft haben. Es geht also um Betrug und Identitätsdiebstahl, Delikte, die Rosa für Jahre hinter Gittern bringen könnten. Der Künstler setzte sich aus Los Angeles ins Ausland ab und wurde vor wenigen Tagen in Portugal gefasst. Ein Instagram-Foto seiner Frau soll seinen Aufenthalt verraten haben.

Auch der vergangene Woche verstorbene Lawrence Weiner (1942–2021) war ein "Schwindler". Die Leute schüttelten den Kopf, als er in den Sechzigerjahren in der kalifornischen Wüste Löcher in den Boden sprengte und dies zum Kunstwerk erklärte. Weiner war der Auffassung, dass Kunst vor allem eine Vorstellung ist, die in den Köpfen der Menschen existiert. Eine Explosion, die einen Augenblick lang detoniert und dann wieder verschwindet.

In seinen Augen ist nicht nur ein einfallsreicher Produzent am Werk beteiligt. Das Publikum, das sich darauf einlässt, liefert den entscheidenden Beitrag. Für den Kunstmarkt war das zunächst keine gute Nachricht. Statt monumentaler Skulpturen und Leinwände mussten die Galeristinnen DIN-A4-Blätter verkaufen, auf denen Künstlerinnen ihre Konzepte notierten.

Was als avantgardistische Schrulle belächelt wurde, enthielt die Wahrheit über den Kunstmarkt selbst. Denn anders als von der Kunstgeschichte gefordert, bestimmt nicht die ästhetische Qualität, die Komposition oder Originalität, den Preis eines Werks. Vielmehr entsteht sein Wert im Kopf der Käufer. Die Fantasie darüber, welche Preissteigerung ein Gemälde, eine Skulptur oder vielleicht auch nur ein Blatt Papier erfahren könnte, kennt keine Grenzen. Daran hatte Weiner nicht gedacht.

Die Künstler und Künstlerinnen der Sechzigerjahre träumten davon, dass ihre Werke das Museum verlassen und die Imagination einfacher Menschen anregen. Weiner platzierte etwa auf einem Wiener Flakturm den Schriftzug "Smashed to pieces (in the still of the night)" und löste das Kriegsmonster in das Bild einer Sommernacht auf, in der Flaschen zu Bruch gehen. Eine kleine Detonation im Kopf der Passantinnen, nicht mehr.

Das eigentliche Spielfeld der im Kern romantischen Konzeptkunst wurde, und das ist die überraschende Wendung, der Kunstmarkt. Hier stiegen bunte Hasen von Jeff Koons oder mit Diamanten besetzte Totenköpfe von Damien Hirst um das Jahr 2000 zu begehrten Objekten auf die Unsummen erzielen. Hier konnte auch ein unbekannter Nachwuchskünstler wie Christian Rosa über Nacht zum Star werden.

Seine einfach gestrickten Zitate abstrakt-expressiver Malerei befeuerten die Spekulation. 2014 stiegen die Preise für einen Rosa auf 150.000 Dollar. Kunstdealer klopften nächtens an seine Hoteltür, um ein Bild zu ergattern. Als die Nachfrage ebenso abrupt wieder nachließ und die Preise abstürzten, zündete Rosa die nächste Rakete. 

Von der conceptual art hatte er gelernt, dass die Ausführung eines Kunstwerks nicht vom Urheber gemacht werden muss. "Ein Werk kann von einer anderen Person hergestellt werden", lautete 1968 eines der berühmten Statements Weiners. Von einigen wurden Rosas mutmaßliche Fälschungen freilich nicht als besonderes cleveres Konzeptkunstwerk gewertet, sondern als gefährlicher Schwindel.

Der FBI-Beamte Director Michael J. Driscoll brachte es auf den Punkt: "Die Schönheit der Kunst mag im Auge des Betrachters liegen, aber das Verhalten, das wir (bei Rosa, die Red.) feststellen, ist objektiv hässlich. Investoren zu betrügen und die Herkunft von Kunstwerken zu fälschen, ist einfach ein Verbrechen.!

Ihr Matthias Dusini


Aus Dem Falter

In Österreich ist der chinesische Künstler Ai Weiwei bestens bekannt. 2010 ließ er im Rahmen der Regionale einen vier Tonnen schweren Felsen auf den Dachstein fliegen, ein Mahnmal für die Opfer des Erdbebens in Sichuan. Nun führte der Schriftsteller Daniel Kehlmann ein Gespräch mit Ai Weiwei, in dem der Künstler die Abgründe seiner Biografie erzählt.


Das Schöne

Eines der letzten, wunderbar poetischen Werke von Lawrence Weiner entstand 2020. Der Ausführende von "Tracce/Trces" war ein Pilot, der einen Schriftbanner durch die Luft zog. Die sonnenhungrigen Römer lagen im August am Lido di Ostia und blickten in die Luft. Statt der üblichen Sonnencreme-Werbungen waren hier Mittelwörter der Vergangenheit zu lesen, etwa "schiacciato" (zerstampft) "frantumato" (zerschlagen). 


Seuchenkolumne

Armin Thurnher versucht sich in seiner stets lesenswerten Seuchenkolumne daran, die Corona-Demos einzuordnen. Ein Auszug: "Es ist nicht leicht, zu differenzieren, aber wenn man es versucht, ist man noch kein Naziversteher. Eher darf man sich Sorgen um eine Linke machen, die sich der Pandemie wegen auf einen pauschalen, schalen Rationalismus zurückzieht und nebenbei zum selbstzufrieden zensurierenden Opfer einer von profitgierigen Tech-Konzernen befeuerten Überreizung der Öffentlichkeit wird, die bereits in die Abschaffung von Öffentlichkeit übergegangen ist." Mehr lesen Sie hier.


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