Der Tote im Bett - FALTER.maily #695

Florian Klenk
Versendet am 14.12.2021

Seit einiger Zeit bin ich mit einem alten Schulfreund in Kontakt. Er leidet an Krebs, hegt die Sorge, dass die Corona-Impfung für ihn gefährlicher sein könnte als die Infektion. Er schickt mir manchmal WhatsApp-Videos von Querdenkern oder Artikel aus dem Wochenblick. Und manchmal stellt er völlig berechtigte Fragen. Das Überangebot an Fake-News und Fog-News verwirre ihn. Wem geht es nicht so?

Kürzlich hat er mir einen „offenen Brief“ eines Unternehmers aus Oberösterreich geschickt. Der Brief wird auf Facebook tausendfach geteilt. Der Unternehmer schreibt sinngemäß, dass er aus der ÖVP ausgetreten sei, weil die Politik die Gefahren der Impfung verharmlose. Der Unternehmer schildert am Ende des Schreibens dann noch einen Fall, der ihn besonders aufgewühlt habe. Ein 20-Jähriger sei von seinen Eltern am Tag nach dem dritten Stich tot im Bett aufgefunden worden, mit Blut im Mund. Ende November sei das gewesen. Die Freundin seiner Frau habe das erzählt.

Wir gehen der Sache jetzt auf den Grund, habe ich meinem Schulfreund geschrieben. Ich suchte zunächst im Zeitschriftenarchiv nach dem Todesfall - und fand nichts. Ich rief den Unternehmer an, er hob nicht ab, nur sein Prokurist. Ich sei der fünfhundertste Journalist der anrufe, sagte der Mann. Und nein, den Namen der Familie könne er nicht weitergeben, die Hinterbliebenen möchten anonym bleiben. Ich möge dies verstehen. 

Ich verstand es nicht, aber akzeptierte es und dachte: Wieder eine Lüge im Netz. Ich suchte weiter auf der Seite des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen. Dort sind Todesfälle nach der Covid-Impfung dokumentiert. Leider ist dort nur der Sachstand bis zum 19.11. aufgelistet: 184 Todesfälle in zeitlicher Nähe zu einer Covid-Impfung. Bei fünf wurde ein Zusammenhang ausgeschlossen. Bei 20 Personen fiel die Impfung in die Inkubationszeit einer Covid-Erkrankung. Bei 34 Verstorbenen fand man schwerwiegende Vorerkrankungen, die "vermutlich todesursächlich" waren. Bei zwei Fällen wird ein Zusammenhang mit der Impfung gesehen (das waren Thrombosen nach AstraZeneca). 123 Fälle seien in Abklärung. 

Zwei eindeutige Fälle. Bei 6,5 Millionen Impfungen.

  • Sterberisiko: 1:3,25 Millionen

  • Zum Vergleich: Von 1,2 Millionen Covid-Infizierten starben rund 13.000

  • Sterberisiko: 1:100 (bei Alten natürlich viel höher)

Aber was ist nun mit dem toten Burschen? Ich schrieb ein Mail an das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen. Der Fall eines Mannes, der in der Nacht nach der Impfung verstorben sei, liege „zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor“, schrieb mir die Pressestelle. Also ein Fake? Mir ließ der Fall keine Ruhe. Also stellte ich eine Anfrage an die 16 Staatsanwaltschaften Österreichs: Wurde eine gerichtliche Obduktion angeordnet? 

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt bestätigte den Verdacht: „Der 20-Jährige ist am 18.11.2021 verstorben. Der Verstorbene litt von Geburt an unter einer Herzschwäche und hatte auch Herzoperationen hinter sich gebracht. Am 17.11. ließ er sich eine dritte Impfung verabreichen. Er hörte in der Nacht auf den 18.11.2021 plötzlich auf zu atmen und verstarb. Um ein Fremdverschulden ausschließen zu können, wurde die Obduktion der Leiche angeordnet. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor.“

Werden Impfschäden oder Todesfälle vertuscht, wie mein Schulfreund fragte? Nein. Die Justiz untersucht. Aber es werden offenbar die wenigen aufklärungswürdigen Verdachtsfälle nicht sofort veröffentlicht.

Meine Lektion: Wenn wir eine Impfpflicht verhängen, muss die Informationspolitik der Behörden schneller und besser werden. Wenn der Verdacht untersucht wird, dass ein junger Mann mit Herzschwäche an der Impfung verstorben ist, dann muss die Öffentlichkeit sofort darüber informiert werden. Man soll dafür nicht 16 Anfragen an die Staatsanwaltschaft und eine an das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen raushauen müssen. Informationen über ungeklärte Fälle müssen auf einem Dashboard umgehend abrufbar sein. Für alle, nicht nur für Journalisten, die recherchieren, weil sie der Schulfreund darum bittet.

Das ist uns der Staat schuldig, wenn er uns zum Impfen verpflichtet. 

Ihr Florian Klenk


Aus Dem Archiv

Wir sind in der Corona-Pandemie mit einem Überangebot an Information konfrontiert - vor allem in Sozialen Medien. Der Medienwissenschafter Bernhard Pörksen hat dafür in einem Essay den Ausdruck "Dark Social" geprägt. Wie Viren würden sich Fake-News über Chatgruppen von Freunden und Verwandten verbreiten. Mein Falter-Gespräch mit Pörksen aus dem Falter-Archiv finden Sie hier. Besonders anfällig für Fake-News sind übrigens auch ältere Menschen. Warum das so ist, habe ich in diesem Vortrag zu begründen versucht. Pörksens Werk über die "Große Gereiztheit" ist das Buch der Stunde.


Aus Dem Falter 1

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Aus Dem Falter 2

Das Rote Wien hat einen schweren Fehler gemacht. Sie hat nicht nur den "mentalen Unterstützern" der Stadtstraßengegner, sondern auch Kindern Drohbriefe geschickt. Die Stadt sei "gezwungen" Millionenschäden einzuklagen, heißt es darin. Und zwar von allen Aktivisten, die solidarisch haften würden. Verantwortlich für diese plumpe Einschüchterungsgeste ist die Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima. Sie hat die Anwaltskanzlei des ehemaligen Justizsprechers Hannes Jarolim mit dem Schreiben beauftragt. Dass Kinder angeschrieben wurden, sieht Sima mittlerweile selbst als "ärgerlichen Fehler". Was die Jugendlichen darüber denken? "Mir macht das Angst", sagt die 13-jährige Tina im Gespräch mit dem FALTER.morgen. Meinen Kommentar dazu lesen Sie hier.


Falter Woche

Als Teil des Gag-Trios Projekt X war Gerald Votava einst Gaudiwurzn von Beruf, dann wendete er sich verstärkt der Schauspielerei zu, 2011 gab es auch ein bemerkenswertes Songwriter-Album. Jetzt hat Votava wieder Musik aufgenommen. Die Texte dazu stammen von einer speziellen Freundin des Wiener Künstlers, Christine Nöstlinger: Kurz vor ihrem Tod hat die berühmte Autorin ihm neu verfasste Dialekt-Gedichte zur Vertonung gegeben. Das nun Jahre später erschienene Album „A schenes Lem!“ fällt unter die Kategorie „Was lange währt wird endlich gut“. Wie es dazu kam, wie seine Schulzeit im Internat war und wie es ihm in der Pandemie ergeht, erzählt Votava in der Titelgeschichte unserer Kultur- und Programmbeilage. Weiters führte Sara Schausberger ein launiges Gespräch mit Tex Rubinowitz, der sein Debüt als Theaterautor gibt, Klaus Nüchtern lädt zu einem weiteren Spaziergang am Stadtrand, und die zaghaften Öffnungsschritte im Veranstaltungsbereich begleiten wir mit Kritiken und Empfehlungen.


In Eigener Sache

Gestern durfte ich ins vernieselte Stuttgart reisen. Der Südwestdeutsche Rundfunk lud mich in die prominente Sendung "SWR1-Leute" um mit Wolfgang Heim über die Lage in Österreich zu sprechen. Das 30 Minuten lange Gespräch können Sie hier nachsehen.

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