"Sie will Baden" - FALTER.maily #702

Eva Konzett
Versendet am 22.12.2021

Heute habe ich lange mit einem Beamten telefoniert. Er hat mich angerufen, nachdem wir die neuen Recherchen zum Steuerzahler Sigi Wolf, der seine Steuern offenbar nicht bezahlen wollte, veröffentlichten. Er hat erzählt vom Leben als jemand, der für den Staat arbeitet. Und für den Staat steht. In dessen Person der Staat zu den Menschen kommt. Er meinte, dass der Staat zusperren kann, wenn er nicht für alle gleich gelte. Dass es dann keinen Staat mehr gebe. Dass im Verhältnis des Bürgers zum Staat dessen Nähe zu Machtzirkeln eben nie einen Unterschied machen darf.

Noch eine jede neue Chatladung aus der Time Capsule des ehemaligen Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid, hat eine ikonische Zeile herausgebracht. "Ich liebe meinen Kanzler", war so eine. "Wer zahlt, schafft an, ich liebe das" eine andere.

Aus der Sache mit Sigi Wolf wird diese Zeile bleiben: "“Vergiss nicht – du hackelst im ÖVP Kabinett!! Du bist die Hure für dich (sic) reichen!“. Das schrieb er an einen Mitarbeiter mit der unverhohlenen Aufforderung auszuloten, ob man denn für den Sigi Wolf nicht etwas machen könnte.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft befürchtet in ihrem Hausdurchsuchungsbefehl vom Montag eine "massive Erschütterung des Vertrauens der Bevölkerung in einen an objektiven Maßstäben orientierten Vollzug der Finanzverwaltung." Wie soll man einen solchen Staat anderswo dann noch Ernst nehmen?

Einigermaßen irritierend kann man im Hausdurchsuchungsbefehl der WKStA nachlesen, welche Berge Wolf in Bewegung setzt, um 686.736,44 Euro an Steuernachforderungen nicht bezahlen zu müssen. Er, einer der mächtigsten und bestbezahlten Manager der europäischen Automobilbranche, interveniert offenbar erst beim damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling, dann übt er Druck über Thomas Schmid auf die Steuerexperten aus. Als alles nichts nützt, soll er sich am 9. Juni 2018 um 11.30 Uhr auf einer Autobahnraststätte mit der Vorständin des ihm zugewiesenen Finanzamts getroffen haben. Dort, so der Verdacht der Staatsanwälte, soll der korrupte Deal ausgemacht worden sein. Wolf wollte demnach der Frau bei einem Karriereschritt helfen, dafür sollte sie seinen Antrag auf Steuererlass durchwinken.

Als der Deal aufgeht, bedankt sich die Frau bei Wolf, er antwortet: “With pleasure…du gibst einfach einen aus”.

Fast wäre die Geschichte hier zu Ende gegangen, wäre ein Sachbearbeiter im Finanzministerium im Frühjahr 2019 bei einer routinemäßigen Prüfung der Steuernachsichten nicht über den Namen des Sigi Wolfs gestolpert. Und hätte er nicht das getan, was seine Aufgabe ist: Einen Gönner des türkisen Systems als das zu behandeln, was er ist: Ein österreichischer Bürger.

Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest!

Ihre Eva Konzett


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