Aus dem Leben eines Kritikers - FALTER.maily #1045
Übermorgen erscheint die nächste Ausgabe der FALTER-Buchbeilage. Gerlinde Pölsler (Sachbuch), Kirstin Breitenfellner (Kinderbuch) und ...
Da wird ein Schwein sein ganzes kurzes Leben lang dafür gehalten, dass es Fleisch ansetzt, aber wenn es zu groß wird, dann hebt es das ganze System aus den Angeln. Wird am einen Ende zu wenig geschlachtet, stauen sich die Sauen am anderen. Die Schweinefleischwirtschaft, die eine Schweinewirtschaft ist, hat das Just-in-Time-Prinzip der großen Autobauer kopiert. Zu jedem Produktionsschritt werden die notwendigen Rohstoffe oder Vorprodukte pünktlich angeliefert. Die Lagerhallen sind abgeschafft.
Für die Schweine bedeutet das im Alter von fünf bis sechs Monaten, bei 110 Kilogramm, spätestens aber bei 120 Kilogramm das Ende. Sonst werden die Tiere zu schwer, ihr Muskelfleisch wird für den Verbraucher zu fett. Und der Schweine-Stoffwechsel ändert sich. Die Tiere setzten dann nicht mehr so viel Fleisch an. Der Bauer muss füttern, dem steht aber kein Mehrwert gegenüber. Und: Die Fleischstücke werden zu groß, das Nackensteak passt nicht mehr in die dafür konfektionierte Plastikverpackung. Ein Minus in der betriebswirtschaftlichen Logik, der die Branche unterliegt. Wie bei den Autos. So bei den Lebewesen.
Just-in-Time heißt also auf höchste Effizienz ausgerichtete Produktionsschritte. Das Modell bringt aber mit sich, dass die ganze Kette zusammenbricht, wenn es an einer Stelle nicht weitergeht.
Und genau das droht bei den Schweinen zu passieren, wieder zu passieren. In Deutschland, das mit 26 Millionen Schweinen die größte Schweineherde Europas hält und als Preissetzer auch für den österreichischen Markt gilt, schalten die Schlachthöfe wieder ihre Produktionslinien ab. In den Megaschlachtereien wie bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, wo an Werktagen mehr als 20.000 Sauen geschlachtet werden, sind zu viele Arbeiter mit Corona infiziert oder in Quarantäne. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitierte aus einem Brief der Lebensmittelindustrie an den Ministerpräsidenten der Schweinehochburg Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst. Dort spricht man davon, dass zum "Beginn der kommenden Woche wird mit Betriebsschließungen gerechnet"" würde.
Was aber, wenn die 26 Millionen deutschen Schweine aus dem Ruder wachsen? Die Bauern fürchten eine "Schweineschwemme", den "Schweinestau", wie im Frühsommer 2020. Damals hatten die Behörden mehrere große Schlachtbetriebe wegen der vielen Corona-Erkrankungen in der Belegschaft geschlossen. Anstatt eine Million Schweine pro Woche zu verarbeiten, schafften die Schlachthöfe nur noch 800.000 Tiere. Die Schlachthaken hingen leer. Der Schweinefleischpreis brach ein. Und damit die Einkommen der Bauern.
Sie haben sich nicht erholt. Derzeit bekommen deutsche Schweinemäster 1,2 Euro für ein Kilogramm Schweinefleisch. Vor Corona waren es mehr als zwei Euro gewesen.
Auch in Österreich arbeiten die Schweinebauern nicht rentabel. Auch hier können die Tiere "nicht termingerecht abgenommen werden". Die steirischen Sauenhalter gehen in diesem Jänner für 1,3 Euro für ein Kilogramm in den Stall. Da spielt der Druck des deutschen und europäischen Markts hinein. Und die laue Skisaison: Die Schihütten auf den Bergen sind leer. Schnitzel und Berner Würstel? Werden nicht bestellt.
Eine Sache noch. Ein Preis ist nicht verfallen: Jener der Biofleischmäster und Fleisch, das das deutsche Tierwohlsiegel trägt, das bessere Haltungsbedingungen garantiert.
Ausgerechnet jene Bauern, die das Tierwohl (höher) halten, können von den Erlösen leben.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Wochenbeginn
Ihre Eva Konzett
Der amerikanische Disrupteur Henry Ford hat sich sein Fließband in den Schlachtbänken der Union Stock Yards in Chicago abgeschaut. Der sozialkritische amerikanische Schriftsteller Upton Sinclair hat über die Zustände in dieser ersten globalen Fleischfabrik den Fortsetzungsroman "Jungle" (Deutsch: Der Dschungel) geschrieben. 1905 erschienen, ist er überraschend aktuell geblieben.
Die zerstörerische Macht, die Weltmarktpreise auf heimische Betriebe ausüben, ist auch zentrales Thema des Buches "Bauer und Bobo", das FALTER-Chefredakteur Florian Klenk nach seiner Begegnung mit dem steirischen Bauern Christian Bachler geschrieben hat. Der ZDF hat eine Kurzdokumentation über die beiden produziert, hier können Sie eine handsignierte Ausgabe des Buches bestellen.
Auf dieser Welt gibt es geschätzt 350.000 verschiedene Arten von Stoffen, die wir Menschen selbst erschaffen haben. Dazu zählen Kunststoffe, Pestizide, Medikamente und Chemikalien in Konsumgütern. Sie haben unser modernes, bequemes Leben möglich gemacht. Mittlerweile drohen wir allerdings in der Flut von Chemikalien und Plastik zu ersticken: Viel zu viel davon gelangt in die Umwelt, in die Körper von Tieren und Menschen, mit teils unabsehbaren Folgen. Wie kommen wir da wieder raus? Das lesen Sie im aktuellen FALTER.natur-Newsletter.
Zwei Podcast-Empfehlungen für Ihren Sonntagabend: Hier spricht die Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi über die Politik von Bruno Kreisky, hier diskutieren die Sprecherin des Klimaschutzbegehrens, Katharina Rogenhofer, der Klimaforscher Georg Kaser und die Demokratieforscherin Tamara Ehs mit Katharina Kropshofer und Benedikt Narodoslawsky aus der FALTER-Redaktion über Potential und Ziele des neu geschaffenen Klimarates.
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