Grönemeyer hat auch keinen Plan - FALTER.maily #1048
Morgen erscheint "Das ist los", Herbert Grönemeyers 16. Album. Ich freue mich immer, wenn der deutsche Sänger Neues ...
Sideletter, Beinschab-Studien, Korruptionsurteile: Haben Sie den Überblick verloren? Kein Problem. Ich habe das vergangene Wochenende geopfert, alle Akten durchforstet und diesen ganzen schwarzen Korruptionssumpf am Wochenende in diesem Longread für Sie verständlich aufgeschrieben. Mal schauen, ob Karl Nehammer nach Lektüre des Berichts immer noch der Meinung ist, die ÖVP habe kein Korruptionsproblem. Fassen wir vielleicht einfach mal zusammen, was allein in der vergangenen Woche alles passiert ist.
Erstens: Das schriftliche Urteil im Fall Karl-Heinz Grasser wurde zugestellt. Das Landesgericht für Strafsachen Wien will den ehemaligen FPÖ- und ÖVP-Finanzminister für 8 Jahre in den Knast schicken. Das Urteil hat 1280 Seiten und dokumentiert, wie sich der beinahe ÖVP-Obmann und seine Clique mit 10 Millionen Euro bestechen ließen, damit die Immofinanz an 60.000 Bundeswohnungen kommt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Grassers Pressesprecher war übrigens Thomas Schmid. Im drohen auch bis zu 10 Jahre Haft. Das führt uns zu...
...zweitens: Das Finanzministerium gab vergangene Woche die sogenannten "Beinschab-Studien" frei. Darin wird Sebastian Kurz mit einem Pfau ("hinterfotzig, will alles übernehmen, geht über Leichen"), einem Dachs ("ist schlau und gefährlich") und einem Eichkatzerl ("sieht süß aus") verglichen. Alleine diese Studie mit dem Titel "Wirtschafts- und Budgetpolitik" hat 155.940 Euro gekostet. Sie finden die Studie hier. Warum haben wir insgesamt rund 587.400 Euro bezahlt? Die WKStA glaubt: weil Thomas Schmid in Wahrheit Geld von der Staatskasse zu Sebastian Kurz schleusen wollte. Auch der Ex-Kanzler wird deshalb der Untreue verdächtigt.
Drittens: Der FPÖ-Klubdirektor übergab der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einen sogenannten Sideletter, den "Sebastian" und "Heinz Christian" unterschrieben hatten. Er dokumentiert, wie jene beiden Politiker, die so entschlossen gegen Parteibuchwirtschaft wetterten, die reine Ämterpatronage exekutierten, etwa im ORF. Wenn das Papier öffentlich werde, sagte Kurz zur FPÖ, "bringt das jeden einzelnen von uns in Gefahr". Wir haben vergangenen Freitag diese Analyse dazu geschrieben und am Samstag diese Geschichte ergänzt.
Viertens: Wie sieht Postenschacher aus? Das sehen wir im Justizpalast. OGH-Präsidentin Elisabeth Lovrek hat die Vizepräsidentin des OGH, Eva Marek, vergangene Woche deshalb von ihren Leitungsbefugnissen entbunden, die größte rechtlich mögliche Degradierung einer Höchstrichterin. Marek habe das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Rechtssprechung beschädigt. Warum? Marek hatte in eigener Sache bei der ÖVP interveniert. Sie wurde zur Chefin der Oberstaatsanwaltschaft Wien ernannt, obwohl sie nicht die Bestgereihte war, sondern die WKStA-Chefin Ilse-Maria Vrabl-Sanda. Warum wurde es Marek? Weil sie als steuerbar galt und die widerspenstige WKStA an die Kandare nehmen sollte. Die Schwarzen hielten dann ihr Versprechen, Marek später mit einem noch besseren Posten zu belohnen, nicht ein. Daher beschimpfte sie ihren Minister (Wolfgang Brandstetter) und weinte sich bei Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner aus.
Was sagt Bundeskanzler Karl Nehammer zu all dem: "Die ÖVP hat kein Korruptionsproblem".
Einen schönen guten Abend wünscht
Ihr Florian Klenk
Wie die geheimen Deals der ÖVP den Rechtsstaat untergraben, habe ich auch in einem FALTER-Talk Spezial mit Raimund Löw besprochen. Den Videobeitrag finden Sie hier. Sie können das Gespräch aber auch im FALTER-Radio anhören.
Heute, fünf Monate nach der Besetzung der Stadtstraßen-Baustelle, ließ die Stadt Wien das Protestcamp der Klimaaktivist:innen im 22. Wiener Gemeindebezirk räumen. 12 Menschen wurden dabei verhaftet, die Wärme-Pyramide, die zum Symbol der Widerstandskraft der Aktivist:innen trotz Wind und Wetter geworden war, wurde vor den Augen von rund 200 Unterstützer:innern von einem Bagger zerlegt. Einen ersten Bericht von Benedikt Narodoslawsky lesen Sie hier.
FALTER.morgen-Reporterin Soraya Pechtl war bei der Räumung dabei. Morgen früh lesen Sie ihre Reportagen in unserem Wien-Newsletter. Sollten Sie diesen noch nicht abonniert haben, können Sie das hier kostenlos tun.
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Müssen wir schon bald für den 4. Stich herhalten, wie das in Israel der Fall ist? In Österreich ist das derzeit nicht geplant - und das ist gut so, sagen Experten, wie Nina Horaczek herausgefunden hat.
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