Kowall und Zwander - FALTER.maily #1100
Ich möchte Ihnen heute von zwei Sozialdemokraten erzählen, die ich in den vergangenen Jahren doch recht intensiv beobachten konnte und die ...
Wir sollen doch bitte nicht mehr über die Pandemie schreiben, bat mich letztens eine Freundin. Das wolle niemand mehr lesen, außerdem sei die Coronavirus-Pandemie mit der Omikron-Variante ohnehin bald erledigt. Sie als dreifach geimpfte, regelmäßig testende Person, beschäftige die Pandemie in ihrem Alltag ohnehin kaum noch.
Vielleicht hat meine Freundin recht. Auch in mir schlummert seit ein paar Wochen die Hoffnung, dass Omikron der Endfeind in einer Zeit ist, die so lange keine Hoffnung, keine Perspektive zugelassen hat.
Doch nach jedem Tagtraum kommt der Reality Check. Ein bisschen muss ich meine Freundin, mich selbst und vielleicht auch Sie enttäuschen. Die Pandemie ist noch nicht vorbei, egal wie vielen Wimpern, vierblättrigen Kleeblättern und Sternschnuppen wir unsere Wünsche mitgeben.
Das sagte auch der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach vor ein paar Tagen: Eine Infektion mit Omikron schützt (leider) nicht wirklich vor anderen Varianten. Und neue Varianten können beim aktuellen Infektionsgeschehen weiterhin auftreten, das Virus evolviert in Echtzeit (inwiefern Lauterbachs Aussagen weithin verkürzt dargestellt wurden, fasst die Plattform Correctiv hier zusammen).
Doch ich habe eine neue Strategie gefunden, um mit anhaltenden Pandemie-News umzugehen. Sie funktioniert so ähnlich wie Selbsthilfe bei Flugangst: sich akribisch über das Flugzeugmodell informieren, die faszinierende Geschichte des ersten Flugs recherchieren, und sich wie ein Mantra vorsagen: "Das Flugzeug ist das sicherste aller Verkehrsmittel, das Flugzeug ist das sicherste aller Verkehrsmittel, das Flugzeug..."
Also, halten Sie sich fest. Hier kommt der Virus-Selbsthilfe-Sicherheitshinweis:
Es gibt auf diesem Planeten mindestens zehnmal so viele Virenzellen als lebende Zellen (sprich, jene von Pflanzen, Tieren, Pilzen, Bakterien). Im Rückkehrschluss heißt das: Viren sind eigentlich keine lebenden Zellen, sie brauchen immer einen host, einen Wirt.
Das Pockenvirus, eines der größten Viren, ist etwa 200 Nanometer groß, oder soll ich sagen: klein. Das ist ungefähr die Größe der kleinsten Zelle in der Ordnung der Bakterien.
Trotz ihrer Größe und der Nebensächlichkeit eigentlich nicht wirklich am Leben zu sein, schaffen es Viren seit Millionen von Jahren zu überleben. Sie sind die erfolgreichsten Parasiten der Erdgeschichte. Und solange es Leben gibt, gibt es auch Viren.
Aber das gilt auch andersherum: Weil es Viren gibt, gibt es überhaupt Leben. Auch menschliches Leben, so wie wir es kennen.
Ein riesiger Anteil unseres Genoms, der Gesamtheit unserer Erbinformationen, besteht aus Virus-DNA. Über Tausende Jahre infizierten Viren tierische (und pflanzliche) Zellen und hinterließen in manchen Fällen Teile ihres genetischen Materials.
Damit Leben auf der Erde überhaupt entstehen konnte, war es essentiell, einen Mechanismus zu entwickeln, welcher es erlaubt, Erbinformation zu verdoppeln und so an Tochterzellen weiterzugeben. Doch sobald es eine vererbbare Substanz gab, entstanden auch Trittbrettfahrer, die diese Strategie ausnutzten.
Die ausgeklügeltsten davon kennen wir heute als Viren. Sie bauen sich in unser Genom ein und werden so von Zelle zu Zelle weitergegeben, bis eine Krankheit ausbricht. Wir haben auf diese Weise schon viele Dinge geklaut: Syncytin-1, zum Beispiel, ein Protein, das in der Entwicklung der Plazenta eine wichtige Rolle spielt – und ein Überbleibsel einer Virusinfektion vor 25 Millionen Jahren.
Viren treiben die Evolution voran. Und sie sind bis heute eines der größten Reservoire unentdeckten Wissens und genetischer Diversität:
Erst vor ein paar Wochen fanden Forscher etwa heraus, dass das Epstein-Barr-Virus die Hauptursache für die Ausbildung von Multipler Sklerose sein könnte.
Und Sie haben bestimmt schon von der Genschere CRISPR-Cas9 gehört, die so etwas wie eine Revolution in der Biotechnologie und Medizin ausgelöst hat. Sie hat auch mit Viren zu tun, um genauer zu sein mit sogenannten Bakteriophagen, die – der Name verrät es – nicht Menschen, sondern Bakterien infizieren. Doch diese sind nicht hilflos: Sie verteidigen sich gegen den Angreifer, in dem sie bestimmte Gene der Phagen erkennen und scherenartige Enzyme verwenden, um diese rauszuschneiden. Richtig geraten: Ein Verteidigungssystem namens CRISPR.
Um nochmal auf meine Metapher zurückzukommen: Die Information über Viren, ihre Struktur, Fortpflanzungsweise und Überlebensstrategien verschaffen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern immer wieder einen Vorsprung. Und eine Lektion zieht sich dabei wie ein roter Faden durch die Geschichte: Die Impfung ist das sicherste aller Schutzmittel, die Impfung ist das sicherste aller Schutzmittel, die Impfung....
Ihre Katharina Kropshofer
Pandemie hin oder her, für mich erwacht die Stadt seit einer Woche wieder etwas zum Leben. Ich sehe mich nach Inputs, nach Kultur. Und Wien enttäuscht wie immer nicht. Nächste Woche startet zum Beispiel das CIVA Media Art Festival, auf das ich mich sehr freue. Und das Gartenbaukino zeigt nach dem großartigen Licorice Pizza auch weitere Paul Thomas Anderson Filme. Vielleicht geht mein Optimismus mit mir durch und ich kaufe mir bald die ersten Konzertkarten. Bitte drücken Sie mir die Daumen.
Kulturinteressierte mit Experimentierfreude und dickem Geldbörserl werden dieser Tage im Belvedere fündig: Das Museum verkauft sein berühmtestes Gemälde, den "Kuss" von Gustav Klimt. Allerdings nicht im Original, sondern als NFT ("Non-Fungible-Token"), einer Art digitaler Abbildung. Für 1850 Euro pro Krypto-Schnipsel ist man dabei. Top oder Flop? FALTER-Kunstexpertin Nicole Scheyerer ordnet ein.
Seit Pandemiebeginn könnten viele Medien der Virus-Berichterstattung beinah ein eigenes Ressort widmen. Das trifft natürlich auch auf den FALTER zu. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge empfehle ich die ersten Artikel, die die Redaktion damals geschrieben hat. Etwa die Reportage über den ersten Lockdown von Lukas Matzinger.
Auch die kaum gerühmte Entdeckerin der DNA-Struktur, Rosalind Franklin, war eigentlich Virenforscherin. In dieser Podcastfolge geht es um die durchtriebene Geschichte dieses Wettrennens.
„Es darf uns nicht alles wurst sein.“ – Neujahrsansprache 2022
Bundespräsident Van der Bellen