Srebrenica - FALTER.maily #1049
Der österreichische Politikwissenschaftler Walter Manoschek ist ein Kapazunder im Bereich der Holocaust-Forschung. Seine Arbeit zur Verfolgung ...
Manchmal befällt mich, ich gebe es ungern zu, eine Sehnsucht nach etwas, das man Stil nennen könnte. Unsere Bundeskanzler zum Beispiel könnten etwas davon gebrauchen. Ich meine, im Kontrast zu seinen Vorgängern macht es Karl Nehammer nicht einmal schlecht, aber er hat mehrere Probleme. Von oben nach unten sind das die Impfplicht, der durch Chats bekanntgewordene Umgangston, mehr noch das Verhalten seiner Parteikolleginnen. Und die Kronen Zeitung.
Nun wissen wir spätestens seit Michael Häupl, dass man dieses Land nicht gegen die Krone regieren kann, aber gewisse Stilfragen, darauf beharre ich, bleiben doch problematisch. Ich denke, die Politik wollte volksnäher werden, als sie beschloss, dem Boulevarddruck nachzugeben und hemdsärmelig und ja, nahbar aufzutreten. Der Erfolg ist nicht zu leugnen: mittlerweile naht sich ihr alles Volk, wie es will, mit LKW-Konvois oder mit unflätigen Beschimpfungen auf Social Media.
Nehammer gab neulich der Krone ein Interview. Per Handy, auf der Rückfahrt vom Skiurlaub. Es endete, weil sein Sohn ihm vom Rücksitz aus eine SMS geschickt hatte, bereits die zweite, erfuhren wir, er wolle nun auf einer Raststätte sein Schnitzelsemmerl konsumieren. Da ist gute Rast teuer.
Nun ist das Schnitzelsemmerl vielleicht eine Speise, die Nehammer junior wirklich begehrt, in Anbetracht der Rolle des österreichischen Oberpädagogen, die dem Bundeskanzler kraft Amtes ebenfalls zukommt, wäre es angezeigt gewesen, zumindest eine kritische Bemerkung zu dieser österreichischen Urspeise anzubringen. Etwa: Bei uns isst man das Schnitzel noch immer vom Teller. Oder: Schnitzel, mein Sohn, isst man mit Erdäpfelsalat, aber nicht mit Semmel.
Weitergehende Überlegungen zum Thema Weißmehl und Volksgesundheit, oder gar zu Fleischkonsum und Klimakrise fordere ich gar nicht ein. Und doch, auch das ist eine Stilfrage. Die oberste Stilfrage bestünde naturgemäß darin, von so etwas in einem öffentlichen Interview als Kanzler gar nicht zu reden. Ich weiß schon, die Parteistrategen müssen jetzt statt des Bildes des gnadenlosen Kinderabschiebers, Kinder-im-Schlamm-Lassers und Mikl-Leitner-Golem Nehammer jenes vom sorgenden Vater und Leisure-Wear-tragenden Skiurlauber, vom Schweißhündin-Äußerl-Führer und Schnitzerlsemmerl-Spendierer Nehammer zeichnen.
Versuch gelungen, danke. Wo aber bleibt der Stil des Kanzlers? Nehammer ist nicht der Erste, der mit der Menschelei anfing. Bei Werner Faymann schrieb die Krone, Tiere würden ihn wählen. Das Motto der Krone „Kinder, Tiere, Mädchen“ steht nun über der Pforte des Ballhausplatzes geschrieben, wenn wir denn Frau Nehammer als Mädchen durchgehen lassen wollen (wie sie sich auf dem Krone-Foto an die Schulter des pater familias schmiegte, wäre man geneigt, ihr diese Rolle zuzubilligen).
Und dann noch die hypertolerante Rolle gegenüber den Grenzüberschreitungen der Parteifreunde. Korruption ist in dieser Sprache nichts anderes als das Hören auf Wünsche der wählenden Bevölkerung, und Korruptionswünschen nachzugeben bedeutet nichts anderes, als seiner politischen Beliebtheit Rechnung zu tragen.
Den politischen Gegner als Gfries, Gsindl und Ähnliches zu bezeichnen, bedeutet hingegen nichts, denn hat uns dieser nicht als Gfraster und Koffer bezeichnet? Eben.
Ich aber sage euch, ein anderer Stil müsste her. Eine „andare Boligg“ forderte vergebens einst Mock Alois. Ich aber fordere einen neuen Stil. Jetzt einmal wirklich.
Dazu würde gehören, nicht einer Zeitung Interviews zu geben, deren führender Kolumnist, der Herzensfaschist Jeannée gerade schrieb, er zöge am liebsten nach Sankt Pölten, um seine Unterstützung der Landeshauptfrau Mikl-Leitner darzutun, die wiederum sich gerade ihres Gsindl-Chats wegen entschuldigt hatte. Aber Jeannée und die Unperson Wolfgang Sobotka, die panzergleich auf die Vorsitzführung im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zusteuert, wurden in diesem Interview vorsichtshalber nicht erwähnt. Man kann ja nicht über alles reden.
Darüber, wie wir mit der Impfpflicht verfahren, zum Beispiel. Nämlich sie als politischen Trick verhängen, wenn die Landeshauptleute Druck machen, und sie – Abrakadabra – wieder im Zylinder verschwinden lassen, wenn diese retirieren. Ja, auch das gehört zum politischen Stil, aber das mag ich gar nicht mehr einordnen. Wir tragen ja keine Zylinder mehr. Wir tragen Leisure Wear. Ich hole mir jetzt eine Müsliriegelsemmel.
Ich wünsche Ihnen trotzdem eine schöne Woche.
Ihr Armin Thurnher
Nach all den Skiausflügen kommt zum Wochenbeginn wieder Epidemiologe Robert Zangerle ans Wort, der immer verlässlich und vor allem wissenschaftlich fundiert Aufklärung zu Corona bietet. Brauchen wir leider noch immer dringend. Hier ist die Kolumne kosten-, aber nicht folgenfrei zu abonnieren.
Kennen Sie „Street Fighting Man“, den Song der Rolling Stones? Er besingt diesen Mann, Tariq Ali. Er ist älter geworden, aber ein Linker geblieben. Hier erklärt er Tessa Szyszkowitz seine Sicht der Welt anhand der Afghanistan-Krise.
Die Politisierung der Justiz ging weiter, als man zu denken wagte. Zum Schutz der ÖVP versuchten führende Juristen offenbar, ihre ermittelnden Kollegen von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bespitzeln zu lassen. Ein Skandal, aufgedeckt von Florian Klenk.
Julian Hessenthaler drehte das Ibiza-Video. Statt ihn mit Auszeichnungen der Republik zu dekorieren, wird ihm der Prozess gemacht. Wegen eines ganz anderen Delikts. Bezahlte, fragwürdige Zeugen sollen ihn auf Jahre hinter Gitter bringen. Wer hat daran Interesse? Eine Recherche von Florian Klenk und Lukas Matzinger.
Die Hintergründe des Falles besprechen die beiden auch in diesem Video mit Raimund Löw.