Manche Welt liegt in Innsbruck - die wahre ist es nicht - FALTER.maily #1207
Gestern Abend hatte ich zwei sehr liebe Freundinnen zu Besuch. Die eine arbeitet als Grafikerin, die andere im Bankwesen. Wir hatten einander ...
Dieses gewichtige Kind des Kalten Krieges sitzt in der Wiener Hofburg. So viele Flaggen säumen seinen Eingang, dass Touristen das Eingangstor im Festsaaltrakt der Hofburg, Adresse Heldenplatz (ohne Ziffer), mit der Präsidentschaftskanzlei verwechseln. Doch hier amtiert nicht Alexander Van der Bellen, sondern die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Zumindest deren ständiger Rat, die operative Leitung sozusagen.
Die OSZE also. Sie ist unscheinbarer als die andere Sicherheitsorganisation, die NATO. Die meisten kennen die OSZE von Berichten ihrer Wahlbeobachter aus autokratischen Staaten. Wenn die OSZE-Beobachter den Wahlen den freien Charakter absprechen, hat das Gewicht. Wenn einer wie der russische Präsident Wladimir Putin diese nicht einreisen lassen will, so geschehen bei der letzten Duma-Wahl 2021, ist das eine Aussage. 500 Beobachter wollte die OSZE eigentlich nach Russland schicken. Deutschland wurde im vergangenen Herbst übrigens auch von einem Beobachter-Kontingent beehrt: bestehend aus vier Personen.
57 Staaten gehören der OSZE an. Es geht längst nicht nur um Wahlbeobachtung. Die OSZE will nichts weniger als die Schlüsselrolle im Konfliktmanagement in Europa einnehmen. Vor allem in den 2000er-Jahren, da war ein Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Ausgerechnet der Konflikt in der Ostukraine hat die orientierungslose Truppe aus der Hofburg (die Arbeitsadresse läuft auf das Palais Pálffy in der Innenstadt) wiederbelebt. Seit 2014 sind Hunderte OSZE-Mitarbeiter in der ganzen Ukraine und in den besetzten Teilen der Donbass-Region unterwegs und kontrollieren vor allem die Kontaktlinie, also die – noch – stillgelegte Front zwischen den ukrainischen Militärs und den von Moskau unterstützten Separatisten. Eine der "wenigen verbliebenen Plattformen für die Kommunikation zwischen Ost und West", so nennt die deutsche Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik die OSZE. Jetzt, da man sogar wieder von Krieg spricht, ist das nicht wenig.
Ausgerechnet deshalb, weil die OSZE 1975 eben aus dem Blockdenken zwischen West und Ost heraus entstanden war: Während einer zweijährigen Konferenz in Helsinki hatten sich die Staaten des Westens und jene des Warschauer Paktes auf eine verstärkte Zusammenarbeit geeinigt. "Wandel durch Annäherung", die Parole hatte Egon Bahr, damals Pressesprecher des Oberbürgermeisters von Westberlin, Willy Brandt, schon 1963 ausgerufen. Zwölf Jahre später war sie unterschriftsreif. Das Bild, wie der deutsche Kanzler Helmut Schmidt neben dem Staatschef der DDR, Erich Honecker, die Schlussakte von Helsinki nebeneinander unterfertigten, ging durch die Welt. Die KSZE, die Konferenz für die Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa, war geboren. Sie läutete den Anfang des Endes des Ostblocks ein.
Im neuen geopolitischen Koordinatensystem nach 1991 wandelte man die KSZE schrittweise in die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa um, sodann taumelte die OSZE mit unscharfer Kontur dahin. Die USA hatten wenig Interesse an einer starken OSZE und setzten auf die NATO, die post-sowjetische Seite fühlte sich durch die Mahnungen an Menschenrechte und einen gefühlten Fokus auf diese Region gegängelt. Ohne eigene militärische Kapazitäten wie die NATO und ohne finanzielle Ressourcen wie die EU blieb der OSZE vor allem das Dialogformat. Das Vermitteln. Die Mühen der Kommunikationsebenen. Gerade in der Ukraine hat sich das bezahlt gemacht.
Doch vor wenigen Tagen haben die USA ihre OSZE-Beobachter aus der Ukraine abgezogen. Die zwölf österreichischen Beobachter, vier davon befinden sich in den Separatistengebieten von Donezk und Luhansk, sollen bleiben, hat Außenminister Alexander Schallenberg gesagt.
Eine richtige, eine wichtige Ansage!
Diese Krise braucht unabhängige Experten mehr denn je. Im besten Fall vor Ort.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend
Ihre Eva Konzett
Die Schlussakte von Helsinki stand als Abschluss jahrelanger Bemühungen. Die Hand ausgestreckt hatten die Warschauer Pakt-Staaten. Dass der damalige finnische Präsident Urho Kekkonen die Russen, so will es die Erzählung, in der Sauna weichgekocht hatte, das ist der schöne Vorspann. Wenn wir heute über die irregeleitete Gasanbindung der Deutschen und der Österreicher von russischen Gasfeldern in Sibirien diskutieren, dann ist das auch eine – wenn auch 1975 nicht intendierte – Folge der Annäherung, wiewohl auch späterer politischer Entscheidungen.
Wenn Sie das gestrige Maily gelesen haben, wissen Sie es schon, aber wir sagen es sicherheitshalber noch einmal: Im aktuellen FALTER finden Sie einen Schwerpunkt zur Russland-Ukraine-Krise in Form eines Überblickstextes, eines Interviews mit der Schriftstellerin Tanja Maljartschuk sowie einer Analyse unseres Kolumnisten Peter Michael Lingens.
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