Wie sich die Justiz vor der Presse schützt - FALTER.maily #1046
14 Jahre ist es nun schon her, dass mir ein Informant einen großen Billa-Sack mit Dokumenten aus der Weisungsabteilung des Justizministeriums ...
Wie vermutlich bei den meisten, finden sich auch unter meinen Freund:innen, Verwandten und Bekannten mittlerweile zahlreiche Menschen, die an Covid erkrankt sind, einige davon schon wiederholt. Am schlimmsten hatte es meinen Freund E. erwischt. Nach einem Kaffeehaus-Treffen mit einem Freund, der kurz danach positiv getestet wurde, begab sich E. sofort in Quarantäne und erkrankte nach einigen Tagen – dreimal geimpft, aber immunsupprimiert – ebenfalls.
Insgesamt hatte die Infektion E., dessen Genesung sich unschön lange hinzog, für rund zwei Monate dem sozialen Leben entzogen. Wir trafen uns dann zu Silvester im kleinen Kreise. Es war ein schöner, angenehmer Abend unter angenehmen Menschen, die sich alle davor hatten testen lassen und froh waren, wieder einmal unter Leute zu kommen. Meine Frau hatte einen Leberkäse besorgt und ins Rohr geschoben, für die mitternächtliche Stärkung hatte ich eine gebundene Ochsenschleppsuppe vorbereitet.
Die Ochsenschleppsuppe ist ein seit Jahrzehnten gepflogenes Silvester-Ritual und für mich ein Gericht mit einer nachgerade sakralen Aura. Das hängt nicht nur mit der grundsoliden Schmack- und Nahrhaftigkeit sowie der einfachen, aber zeitintensiven Zubereitung dieses Gerichts zusammen – die Prozedur des Einkochens, Entfettens und des Fleisch-aus-den-Knochen-Fieselns ist wirklich ein ganz eigenes Vergnügen –, sondern auch mit Frau T.
Frau T. war, wie ich rückblickend sagen muss, eine Lichtgestalt meiner Kindheit und Jugend. Mit meinen Eltern und Geschwistern verbrachte ich damals zahlreiche Winterferien in einem Dorf mit dem geradezu lebertesk anmutenden Namen Gatschen im steirischen Ennstal. Das ganze lief unter „Urlaub am Bauernhof", und besagte Frau T. war eindeutig das Gravitationszentrum des Gehöfts. Während ihr Gatte, ein wortkarger, unscheinbarer und in sich gekehrter Mann, der sich später das Leben genommen hat, im Herrgottswinkel seinen Kaffee löffelte, beaufsichtigte Frau T. – entschieden mehr Hausmutter als Hausfrau – Küche und Kinderschar, versorgte und unterhielt die Gäste.
„Es gibt Kleinbürger mit Weite des Herzens und großartiger Humanität", charakterisiert Heimito von Doderer die Anna Kapsreiter, „Kaps" genannt, eine Schlüsselfigur aus seinem Opus magnum „Die Dämonen". Frau T. war keine Kleinbürgerin, aber Weite des Herzens und großartige Humanität konnte man ihr auf keinen Fall absprechen. Sie war wahrlich eine Hüterin des Feuers und des Herdes, in dem ständig ein „Bachd" (irgendein süßer Strudl) im Entstehen war; sie buk ein Schwarzbrot, das ich als das beste meines Lebens erinnere, und zu Silvester servierte sie allen im Hause: genau, Ochsenschleppsuppe.
Das ist der Grund, warum Ochsenschleppsuppe – ich finde: jahreszeitlich geht die grad noch – für mich eine Metonymie der Gastfreundschaft und der kulinarischen Generosität darstellt. Aus den bekannten Gründen lässt sich diese schöne Tugend derzeit aber nur schwer performen. Auf Dauer ist es schon nervig und ein bissl uncool, Gästen einen gültigen PCR-Test abzuverlangen. Mein persönliches Geselligkeitsmanagement sieht derzeit so aus, dass ich eine Stadtwanderungsneigungsgruppe ins Leben gerufen habe und bei den auf zwei, drei Personen beschränkten Indoors-Begegnungen im Vorhinein immer darauf verweise, dass ich „frisch getestet" sein werde – in der Hoffnung, dass es mein Vis-à-vis genau so halten möge. Es einzufordern oder gar Testergebnisse zu kontrollieren, ist mir allerdings auch zu blöd. We shall overcome!
Ihr Klaus Nüchtern
Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass es das Amt des Wissenschaftsministers in Österreich erst seit 1970 gibt. Hertha Firnberg in der Regierung Kreisky I war die Erste, die es bekleidet hat. Damit bin ich Zeitgenosse sämtlicher Wissenschaftsminister:innen der Zweiten Republik. Derzeit halten wir bei Nummer 18. Nummer drei war Hans Tuppy, ein habilitierter Biochemiker, der heute 97 Jahre alt ist und immer noch jede Woche im Labor steht. Anna Goldenberg hat ein kleines Porträt über ihn geschrieben.
Ich habe nicht alles, aber fast alles von Michel Houellebecq gelesen. Der Mann gilt manchen als muffiger, misogyner Misanthrop, aber das ist meines Erachtens ein Missverständnis. Trotz des Titels „Vernichten" steckt auch in jüngstem – und angeblich letztem – Roman des französischen Autors eine melancholische, ja mitunter verzweifelte Zuneigung zu den Menschen. Die Geschichte um einen Präsidentschaftsberater mit einem siechen Vater und desaströser Ehe, die im Jahr 2027 spielt, wird wie stets mit hellsichtigen gesellschaftspolitischen Analysen kombiniert, weist auch den ein oder anderen Hoffnungsschimmer auf und regt aber auch immer wieder zum Kichern an. Eine ausführliche Rezension von Sebastian Fasthuber können Sie hier lesen.
Abseits der zurecht gepriesenen Serie „Succession" gibt es auch noch anderes Material mit Binge-Potential. „Die Patchworkfamilie" ist weniger flamboyant und eher in den Niederungen des (Serien)alltags angesiedelt, aber deswegen um nichts weniger sehenswert. Interessant ist schon einmal, dass der Begriff für „Patchworkfamilie" im Schwedischen „Bonusfamiljen" lautet – und so heißt die Serie auch im schwedischen Original. Es geht darum, wie die getrennten und neu verpartnerten Paare samt ihren Kindern das Leben meistern. Naturgemäß: holprig. Das Spannende an dieser Familienaufstellung ist, dass einem so gut wie alle Protagonist:innen zumindest zeitweise unglaublich auf die Nerven gehen: Sie sind egoistisch, selbstmitleidig, illoyal und infantil. Und doch werden allen auch Momente zugestanden, in denen sie sich als empathiefähig, selbstlos und großherzig erweisen. Kurz und gut: „Bonusfamiljen" ist eine sehr unterhaltsame Gelegenheit, die heute arg verkümmerte Tugend der Ambiguitätstoleranz zu schulen. Und das Therapeuten-Ehepaar ist zum Niederknien komisch.
Der FALTER.morgen wird als „Newsletter" bezeichnet, ist aber eigentlich eine kleine, im Netz erscheinende Tageszeitung. Man kann ihn kostenlos abonnieren. Rund 40.000 Leser:innen haben das bereits getan. Der „Morgen" erscheint jetzt seit über einem Jahr, und ich begehe demnächst mein einjähriges Amtsjubiläum als FaVoWa. Als Falter-Vogerl-Wart stelle ich jeden Dienstag einen „Vogel der Woche" vor. Begonnen habe ich mit der Wacholderdrossel, morgen ist der Gr… , aber das verrate ich noch nicht. Einziger Wermutstropfen meines neuen Jobs: Ich komme nur noch selten dazu, als @ClousInTheSky Vogerl- und Wolkenfotos zu zwitschern.
Wenn’s nicht wurst ist, dann HERMANN!
Aller guten Dinge sind 5. In HERMANN stecken Kräuterseitlinge, Reis, Hühnerei-Eiweiß, Rapsöl und Gewürze – und sonst nichts. Oder? Doch! Jede Menge Vision für eine lebenswerte Zukunft.
Wenn’s dir nicht wurst ist, klicke hier: www.wenns-nicht-wurst-ist.at