Krieg in Europa - FALTER.maily #743

Tessa Szyszkowitz
Versendet am 24.02.2022

Es herrscht wieder Krieg in Europa. "Wie Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg hat uns Russland heute Früh angegriffen", schrieb der ukrainische Präsident Volodymir Zelenskiy in den Morgenstunden am Donnerstag auf Twitter: "Von heute an sind unsere Länder auf zwei verschiedenen Seite der Weltgeschichte."

Wer gestern noch dachte, der russische Präsident Vladimir Putin sei ja nicht so verrückt, die Ukraine zu überfallen, wurde eines Besseren belehrt. Auch jene, die dachten, er wolle nur die russischen Gebiete "heimholen" haben sich getäuscht.

Donnerstag Früh bombardierte die russische Luftwaffe nicht nur ukrainische Stützpunkte vor den abtrünnigen russischen Regionen Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine. Bombardiert wurden auch die großen Städte des Landes – Charkiw, Mariupol, Odessa, nach einigen Berichten sogar Lwiw im Westen. Am stärksten bombardiert wurde die Hauptstadt Kiew. Eine zweite Welle an Bomben in den Mittagsstunden verstärkte die Befürchtung, der Schlachtplan des Kremls ziele auf den Sturz der ukrainischen Regierung ab.

Vladimir Putin spielt nicht mehr nach den Spielregeln der Vernunft und jenen der internationalen Diplomatie. Er macht seine eigenen Regeln, die nicht mehr auf wirtschaftlicher Logik basieren oder das Wohl seiner Bevölkerung im Sinn haben. Nur ein sehr paranoides Gemüt kann glauben, dass der Einmarsch im Nachbarland den Russen selbst Frieden und Stabilität bringen kann.

Am Donnerstagabend kommen die EU-Chefinnen und -Chefs in Brüssel zusammen, um eine Antwort auf diesen ungeheuerlichen internationalen Rechtsbruch zu finden. Schon tagsüber traten ehemalige westliche Premierminister von russischen Vorstandsposten zurück – auch der ehemalige österreichische Bundeskanzler Christian Kern legte seine Funktion als Aufsichtsrat bei der russischen Staatsbahn RZD nieder.

Doch eine Militäroperation der NATO bleibt ausgeschlossen. Illusionen hatte heute niemand mehr. Dieser Konflikt kann nicht schnell beendet werden. Ganz im Gegenteil. Erst einmal eskaliert er.

Zigtausende Kiewer versuchten mit dem Auto aus der Stadt zu fliehen. In den Nachbarländern macht man sich für die Aufnahme von Hunderttausenden Flüchtlingen bereit. Auch die österreichische Regierung wird die Tore öffnen müssen. Hoffentlich: wollen. Bundeskanzler Karl Nehammer hat schon angekündigt, dass er sich für die Aufnahme von Flüchtlingen einsetzen wird. Schließlich handle es sich bei der Ukraine ja im Unterschied zu Afghanistan um "Nachbarschaftshilfe".

Wir haben wieder Krieg in Europa. Da kann ich Ihnen leider keinen guten Abend wünschen.

Ihre Tessa Szyszkowitz


Fundstück Des Tages

Ein Video aus dem Kreml, in dem Putin seinen Geheimdienstchef Sergej Naryschkin zusammenputzt, weil der nicht versteht, was sein Boss überhaupt hören will, vermittelt den Eindruck, dass selbst die engsten Mitarbeiter nicht nur vor Angst vor ihrem Präsidenten schlottern. Sie verstehen einfach nicht mehr, wie der Präsident tickt.


Böse

Die russische Journalistin Margarita Simonyan, Chefin von Putins PR-Kanal "RT", wurde von der EU auf die Sanktionsliste gesetzt. Ihre Laune lässt sie sich dadurch nicht verderben. Über die Angriffe der russischen Streitkräfte auf das Nachbarland twittert sie zynisch: "Das ist eine normale Probe für eine Parade, dieses Mal halten wir sie eben in Kiew ab."


Buchtipps

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Podcast

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SCHWARZES MEER von Irina Kastrinidis

Inszenierung Frank Castorf

„Ein ganz großer Abend“, resümierte der Kurier, "Zweieinhalb göttliche Theaterstunden" meinte Der Standard und die Salzburger Nachrichten schrieben: „Kreusch schauspielert sich die Seele aus dem Leib. Eindringlich, kompromisslos, textsicher.“

Die nächsten Vorstellungen von „Schwarzes Meer“ von Irina Kastrinidis in der Inszenierung vom Frank Castorf am Landestheater Niederösterreich sind: Fr 25.02., Do 10.03 und Mi 16.03.22

Karten: Schwarzes Meer — Landestheater Niederösterreich

weitere Informationen: www.landestheater.net


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