It's the bribery, stupid! - FALTER.maily #1055
Ich würde meinen, wir müssen die Geschichte über Sebastian Kurz fabelhaften Aufstieg zum ÖVP-Chef und Kanzler grundsätzlich ...
Vorgestern war ich im neu von der Stadt Wien eröffneten „Beratungszentrum für Geflüchtete aus der Ukraine“ im Untergeschoss des Austria Center, dort, wo bis vor Kurzem eine Impfstraße war. Jetzt stellen sich hier Tag für Tag um die tausend Menschen an. Ich habe dort Großeltern gesehen, die mit ihren kleinen Enkelkindern an der Hand bis nach Österreich geflüchtet sind und auch sehr viele Mütter mit ihren Kindern. Manche der winzig kleinen Babys waren erst kurz auf der Welt, als die ersten Raketen auf ihre Geburtsstädte fielen.
Im Austria Center werden die Daten dieser Geflüchteten aufgenommen und sie bekommen Antworten auf ihre dringendsten Fragen: Wovon sollen wir unser Essen bezahlen? Wie werden wir eine Unterkunft finden? Aber auch: Wo werden die Kinder zur Schule gehen?
Was wird diese Kinder erwarten? Seit 2018 werden Kinder, die nicht ausreichend Deutsch können, in „Deutschförderklassen“ unterrichtet. In diesen separaten Klassen sind Kinder unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen zusammengefasst. Statt in ihrer Peer Group spielerisch Deutsch zu lernen, verbringen sie ihre Schultage in Klassen, in denen alle mit der deutschen Sprache kämpfen.
Diese „Deutschförderklassen“, eine Erfindung der damaligen türkis-blauen Regierung, gibt es bis heute, – obwohl zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass diese Separierung im Schulsystem viel kostet und wenig nützt. Aber die ÖVP wollte das eben so und die Grünen konnten sich nicht durchsetzen.
Gestern, als ich die vielen ukrainischen Kinder und Jugendlichen im Austria Center sah, fiel mir wieder ein, wie kreativ Österreichs Bildungspolitik früher einmal auf so eine Krise reagiert hat. Im Jahr 1956 waren unter den Ungarn-Flüchtlingen, die damals zu uns kamen, auch etwas mehr als 3.500 Gymnasiasten zwischen 14 und 18 Jahren. Wie sollen diese jungen Menschen trotz Flucht ihre Schullaufbahn beenden?, fragte man sich damals.
Die Lösung: Man richtete in Österreich rasch eigene Gymnasien ein, in denen diese jungen Geflüchteten nach dem ungarischen Lehrplan unterrichtet wurden und maturieren konnten. Nach der Matura stand ihnen der Weg an eine österreichische Universität offen. Auch so können Probleme gelöst werden.
Ihre Nina Horaczek
Im Austria Center arbeiten auch Ärztinnen und Ärzte ehrenamtlich, um chronisch kranken Geflüchteten zu helfen, zum Beispiel wenn ihnen auf der Flucht die Medikamente ausgegangen sind. Oder sie vermitteln an Krebs erkrankte Flüchtlinge, die wegen der Flucht ihre Chemotherapie unterbrechen mussten, zu Spezialisten. Natürlich haben sie auch ein offenes Ohr für all jene, denen es nach ihrer Flucht auch körperlich schlecht geht. Dieses kleine Gesundheitszentrum wird von Amber Med betreut, einer Ambulanz für Menschen ohne Krankenversicherung. Amber Med sucht dringend Allgemeinmediziner und Internisten, die bereit sind, zumindest ein Mal pro Monat eine Schicht (jeweils 9-12 oder 12-15 Uhr) zu übernehmen.
Seit Kurzem ist der Weg zum Mithelfen noch ein Stück kürzer: Der Selfstorage-Anbieter My Place hat in seinen zahlreichen Wiener Filialen mit der Wiener Tafel Spendenlager für die Menschen aus der Ukraine eingerichtet. Dort können täglich zwischen 6 und 22 Uhr originalverpackte, haltbare Lebensmittel wie Konserven, Nudeln, Reis, Gries und ähnliches, aber auch originalverpackte Hygieneprodukte wie Windeln, Damenhygiene, Duschgel, Zahnpasta abgegeben werden.
Haben Sie am Samstag noch nichts vor? Dann besorgen Sie sich noch schnell Karten für "We stand with Ukraine", das riesige Benefizkonzert im Ernst-Happel-Stadion. Zahlreiche österreichische Stars wie Wanda, Ostbahn Kurti, Bilderbuch, Pizzeria & Jaus, Seiler und Speer, Mavi Phoenix und viele mehr stehen dort ab 13 Uhr auf der Bühne. Der Eintritt kostet 19,91 Euro, ein Preis als Erinnerung daran, dass die Ukraine im Jahr 1991 unabhängig wurde. Mit den Einnahmen helfen Volkshilfe und Nachbar in Not den vom Ukraine-Krieg betroffenen Menschen.
Wie kann man Kriegspropaganda und Journalismus voneinander unterscheiden? Das besprechen wir in der neuesten Episode des FALTER-Podcast mit der Zeit-Journalistin Simone Brunner, der London-Korrespondentin Tessa Szyszkowitz und dem Bundesheer-Brigadier Philipp Eder.
Im aktuellen FALTER lesen Sie außerdem, wie Österreichs rechtsalternative Medien, die eben noch damit beschäftigt waren, die Gefahren des Coronavirus kleinzureden, nun gezielt Desinformation betreiben.
In der neuen Folge von "Besser lesen mit dem FALTER" spricht Moderatorin Petra Hartlieb mit dem deutschen Autor Jakob Hein. Sein Roman "Der Hypnotiseur oder Nie so glücklich wie im Reich der Gedanken" (Kiepenheuer & Witsch) dreht sich um eine Landkommune in den 80er-Jahren am Rande der DDR und einen verhinderten Psychologiestudenten, der das Handwerk der Hypnose beherrscht. Abschließend hat Feuilleton-Chef Matthias Dusini noch zwei Empfehlungen zum Thema Querdenkertum für Sie mitgebracht.