Andi Babler, die EU und meine Barbiepuppe - FALTER.maily #1101
Die Sache zwischen mir und der Europäischen Union begann mit großer Zustimmung. Irgendwann Anfang der 1990er-Jahre hatte mein Vater mich ...
Diese Woche war ich wieder einmal im U-Ausschuss. Es hat mich ein bisschen an meine Schulzeit erinnert. Ich meine nicht die Befragungen der Auskunftspersonen, sondern das ganze Setting rundherum. Der U-Ausschuss tagt im Camineum in der Hofburg, die Räume gehören eigentlich zur Nationalbibliothek. Die meisten Journalisten sitzen ein paar Meter weiter in einem Containerbau und verfolgen das Geschehen über Bildschirme. Sie könnten das übrigens von zu Hause auch tun, wenn die ÖVP sich nicht gegen eine öffentliche Übertragung von U-Ausschüssen wehren würde.
Zwischen Camineum und Container ist eine kleine, freie Fläche: der Raucherhof. Der SPÖ-Abgeordnete Christoph Matznetter hat, glaube ich, Pausenaufsicht. Er ist jedenfalls fast immer da. Und am Mittwoch habe ich zum ersten Mal mit dem neuen Austauschschüler aus Deutschland gesprochen, Georg Streiter. Der frühere Bild-Redakteur und Pressesprecher der deutschen Bundesregierung berät seit Kurzem die ÖVP im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss. Möglicherweise ist er verantwortlich dafür, dass Andreas Hanger in letzter Zeit ruhiger geworden ist.
Er gibt den gemütlichen Rheinländer und behauptet, dass er die ganze Aufregung nicht versteht. Die ganzen Chats stammen ja schließlich von Thomas Schmid und der ist ja eh schon weg. Das gilt übrigens auch für Schmids Chatpartner Sebastian Kurz und Gernot Blümel. Ich bin mir nicht sicher, ob das nur seine Masche ist. Irgendwie kauft man ihm ab, dass er nicht so genau weiß, was er hier soll. Immerhin, er ist seit Jänner FALTER-Abonnent und hat etwas überrascht festgestellt: "Da stehen ja richtig Sachen zum Nachdenken drin."
Im Pausenhof waren auch ein paar Kabinettsmitarbeiter aus dem Justizministerium, schließlich war ja auch Ministerin Alma Zadić als Auskunftsperson geladen. Ich habe die Gelegenheit genützt, mich nach ein paar Gesetzesvorhaben zu erkundigen, die längst überfällig sind. Seit Heinz-Christian Strache in Ibiza gegenüber einer vermeintlichen Oligarchennichte alle möglichen Versprechen gemacht hat, wird an einer Verschärfung des Korruptionsstrafrechts gearbeitet.
Der Entwurf liegt seit Monaten bei der ÖVP. Eigentlich sollte es im Jänner beschlossen werden, dann hat Alma Zadić eine Erledigung bis Ende des ersten Quartals angekündigt. Beide Termine haben nicht gehalten. Bei der ÖVP dürfte der Ehrgeiz inzwischen völlig verloren gegangen sein. Aus dem Büro von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler höre ich, dass es sich bis zum Ende der Legislaturperiode aber ausgehen wird. Nur kein Stress.
Das Informationsfreiheitsgesetz, das vor einem Jahr in Begutachtung geschickt wurde, liegt auch noch auf Eis. Länder und Gemeinden halten den Gesetzesentwurf in einigen Punkten für zu unklar formuliert. Weil es für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses eine Verfassungsänderung braucht, kann der von den Ländern beschickte Bundesrat das Vorhaben blockieren. Wer sich in den Stand der Debatte einlesen will, kann sich hier zum Beispiel die Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf ansehen.
Manche Einwände sind durchaus berechtigt, andere zeigen in erster Linie eine ungesunde Abneigung gegen Transparenz. Die Vereinigung der österreichischen Bezirkshauptleute glaubt, dass dem befürchteten Verwaltungsaufwand ein "schwer erkennbarer Nutzen für die Bevölkerung gegenübersteht." Der Österreichische Fischereiverband findet überhaupt: "Der Informationsanspruch für jedermann birgt eine enorme Missbrauchsgefahr."
Wer weiß, vielleicht wird Österreichs Gewässerbewirtschaftung wirklich bald von fliegenfischenden Transparenzaktivisten heimgesucht.
Aber das ist ein Preis, den ich zu zahlen bereit bin.
Ihr Josef Redl
In Ungarn haben heute Parlamentswahlen stattgefunden -, die Wahllokale waren bis 19h geöffnet, vorläufige Ergebnisse werden um Mitternacht erwartet. Die Opposition hatte zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt realistische Chancen, gegen den zunehmend autoritär agierenden Viktor Orbán zu gewinnen. Und das, obwohl Orbán das ungarische Mediensystem erschreckend erfolgreich zu seinen Gunsten umbauen konnte. Um Alternativen zum propagandistischen Staatsfernsehen anzubieten, tingelte der Youtuber Márton Gulyás in einem TV-Truck durch die ungarische Provinz. Lina Paulitsch hat ihn für ihre Reportage begleitet.
Letztlich dürfte Orbáns Freundschaft mit Vladimir Putin wahlentscheidend sein, argumentiert der ungarische Journalist Márton Gergely in seinem Kommentar im aktuellen FALTER. Noch drei Wochen vor dem Angriff auf die Ukraine war Orbán zu Besuch beim russischen Präsidenten. Damals prahlte er damit, heute behauptet er, der Oppositionskandidat Péter Márki-Zay unterstütze den Krieg, während er selbst Garant für den Frieden sei. Ob die ungarische Öffentlichkeit dieser Lüge aufsitzen wird?
Etwas weniger Nähe zu Russland wünscht man sich im Nachhinein wohl auch hierzulande – speziell im Energiesektor. Die Kollegen Eva Konzett und Benedikt Narodoslawsky haben ein bemerkenswertes Interview mit OMV-Chef Alfred Stern geführt, der angetreten war, um den Öl- und Gaskonzern radikal umzubauen: Weg von fossilen Rohstoffen hin zur Kreislaufwirtschaft. Jetzt muss er erklären, warum wir uns nicht einfach über Nacht vom russischen Gashahn abnabeln können und formuliert drastisch: "Unser Land, unser Wohlstand, hängen vom russischen Gas ab"
Es bleibt ungemütlich: Im FALTER-Radio finden Sie aktuell eine Diskussion über Grausamkeit in der Kulturgeschichte und Gegenwart. Sie hören den Schriftsteller und Historiker Philipp Blom und den Kulturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk im Gespräch. Die Veranstaltung wurde organisiert und aufgezeichnet vom Bruno Kreisky Forum und uns mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns für die Zusammenarbeit!