Wie sich die Justiz vor der Presse schützt - FALTER.maily #1046
14 Jahre ist es nun schon her, dass mir ein Informant einen großen Billa-Sack mit Dokumenten aus der Weisungsabteilung des Justizministeriums ...
Ich möchte Ihnen von Katarina Juričev erzählen. Im Zuge meiner Recherche für den dieswöchigen Artikel zur Versorgung ukrainischer Flüchtlinge habe ich sie zu Hause besucht. Juričevs Hilfsbereitschaft ist beeindruckend. Die Art und Weise, wie sie von der Politik alleine gelassen wird, allerdings besorgniserregend. Katarina Juričevs Geschichte steht prototypisch dafür, wie sehr sich die öffentliche Hand darauf verlässt, dass die Zivilgesellschaft auch in dieser Flüchtlingskrise anpackt. Doch drei Monate nach Kriegsbeginn stößt diese an ihre Grenzen.
Katarina Juričev ist keine Aktivistin, keine organisierte Flüchtlingshelferin, sondern nur jemand, der berührt von der Not der Menschen einer ukrainischen Mutter und ihrer Tochter helfen wollte. Denn sie weiß, sagt sie, wie es ist, Angst vor Bomben zu haben. Die gebürtige Serbin hat das Bombardement der NATO auf Belgrad 1999 im Keller verbracht. Danach ging sie nach Wien und ist heute österreichische Staatsbürgerin.
Gemeinsam mit ihrer achtjährigen Tochter lebt sie in einer 78-Quadratmeter-Genossenschaftswohnung in Wien Leopoldstadt. Seit zwei Monate schläft sie auf ihrer Couch, ihr Schlafzimmer hat sie für Mutter Olga und ihre Tochter Daria geräumt, die beiden wurden aus Luhansk vertrieben.
Juričev lebt von einem Teilzeitgehalt, das sie sich an der Kassa eines Supermarkt-Discounters verdient. Mit diesem erhält sie nicht nur sich und ihre Tochter, sondern nun eben auch die ukrainische Familie – vom Staat bekommt sie dabei keinerlei Unterstützung. Auch die Flüchtlinge haben kein Geld, Olga und Daria steht im Monat insgesamt lediglich 315 Euro österreichischer Grundversorgung zu. Also wohnen sie gratis und Juričev füttert sie durch. Juričev kauft ihnen Toastbrot fürs Frühstück, Kartoffeln fürs Abendessen, Nutella für die Palatschinken. Auch der Energieverbrauch ist gestiegen, die Waschmaschine läuft ständig, auch weil die Flüchtlinge kaum Gewand haben und ständig waschen müssen. Die drohende Nachzahlung für die Energiekosten ist das, was Juričev am meisten Kopfzerbrechen bereitet, sagt sie, vor allem bei den gestiegenen Preise.
Deshalb muss sie in den Sommerferien ihre eigene Tochter nach Serbien zu Verwandten schicken, damit sie Stunden aufstocken und sich etwas zur Seite legen kann, für den Tag an dem die Erlagscheine hereinflattern. Zwei Monate lang wird ihre Tochter ohne die Mutter sein müssen, denn eine Sommerbetreuung für die Kleine kann sie sich Juričev nicht leisten.
Ob sie es sich leisten kann zwei Flüchtlinge bereits im dritten Monat, ohne jegliche Perspektive zu versorgen – dafür interessiert sich niemand, weder Politik noch Verwaltung. "Ich frage mich, wem ich hier eigentlich helfe? Olga und Daria oder irgendeinem Politiker?"
Die beiden Gäste seien sehr nett und sie kämen gut miteinander aus, sagt Juričev. Doch sie fragt sich langsam, wann das ein Ende nehmen wird. Juričev ist völlig ratlos. Die Ukrainerin und ihre Tochter können sich keine eigene Wohnung leisten und auf die Straßen setzen kann und will sie Juričev auch nicht. Doch so weitergehen, sagt Juričev, kann es nicht.
Ihre Nina Brnada
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