Manche Welt liegt in Innsbruck - die wahre ist es nicht - FALTER.maily #1207
Gestern Abend hatte ich zwei sehr liebe Freundinnen zu Besuch. Die eine arbeitet als Grafikerin, die andere im Bankwesen. Wir hatten einander ...
Am Freitag endete die traurigste Reality-TV-Show der Welt. Sechs Wochen lang haben Livebilder aus einem Gerichtssaal in Fairfax County, Virginia, alle Verführungen dieses Genres pervertiert: Sensationsgier und Stellvertreterleid, Voyeurismus und Fremdscham, erniedrigte Superstars und emotionale Parteinahme, dazu ein bisschen Sex und Crime.
Der Zivilprozess von Johnny Depp gegen seine Exfrau Amber Heard ist ein schauriges Stück Mediengeschichte. Wie kam es dazu?
Die Schauspieler lernten einander 2009 bei einem Dreh in Puerto Rico kennen und wurden später zu Paparazzos beliebtestem Promipaar. 2015 feierten sie ihre Hochzeit auf Depps Privat-Bahamas-Insel Little Hall's Pond Cay, zwischen weißem Pavillon und türkisem Meer.
Nur 15 Monate später stand Amber Heard mit einem blauen Auge in einem Gerichtssaal in Los Angeles. Sie wollte die Scheidung und ein 100-Yard-Annäherungsverbot von Johnny Depp, denn: Ihr Mann habe sie immer wieder geschlagen, getreten, gewürgt, gestoßen, vor allem, wenn er unter Drogen stand.
Dann passierte Bemerkenswertes. Innerhalb von Stunden hatte die Öffentlichkeit den Daumen über die Frau gesenkt, "Anschuldigungen ungeheuerlich": Promis stehen hinter Johnny Depp und Prügelvorwürfe: Lügt Amber Heard? sind Schlagzeilen jener Zeit. Der geliebte Hollywoodstar, mit extravaganten Kostümrollen, eigener Rockband und zwei Sexiest-Man-Alive-Titeln sei unschuldig, die 23 Jahre jüngere Frau wolle nur seine Kohle.
Amber Heard schilderte ihr Leid über die schaurigen Instinkte des Unterhaltungspublikums in einem Gastkommentar für die Washington Post: "Vor zwei Jahren wurde ich zu einer öffentlichen Person, die für häusliche Gewalt steht, und ich bekam die ganze Wucht des Zorns unserer Kultur auf Frauen zu spüren, die sich offen äußern." Depp klagte wegen Verleumdung, jener Artikel habe ihn Jobs gekostet, Heard schulde ihm 50 Millionen Dollar.
Seit 11. April 2022 läuft dieser Gerichtsprozess, und weil in den USA, radikal medienöffentlich. Pressefreiheit und Justiztransparenz stehen dort über Persönlichkeitsrechten und öffentlicher Vorverurteilung. Der Fernsehsender CourtTV und ungezählte Youtube-Kanäle übertrugen alle 24 Verhandlungstage live aus dem Saal.
So konnte alle Welt einer allseitigen Entwürdigung beiwohnen. Johnny Depp habe sie gegen ihren Willen mit einer Flasche penetriert und einem Freund per SMS geschrieben: "Lass uns sie ertränken, bevor wir sie verbrennen." Amber Heard habe eine Wodkaflasche nach ihm geworfen, wobei er eine Fingerkuppe verlor und einmal in seine Seite des Betts defäkiert.
Es ist kaum zu ertragen, aber offenbar kaum abzuschalten. Beide kämpfen um die Gunst der Millionen, Depp macht sich den Zeugenstand zur Bühne, grinst, charmiert, trinkt Tee. Am Freitag plädierten seine Anwälte, Heard habe vor Gericht "die Rolle ihres Lebens als heldenhafte Überlebende" gespielt.
Die Jury vor den Bildschirmen blieb ihrem Bauchgefühl treu: 93 Prozent der debattierenden Twitter-Profile "argumentierten" für Depp. Auf TikTok haben Videos mit dem Hashtag #justiceforjohnny 16,2 Milliarden Aufrufe. Der Filmpirat habe recht, der Blondine sei nicht zu trauen.
Die Jury der sieben Geschworenen wird ihr Urteil kommende Woche treffen.
Ihr Lukas Matzinger
Diese Woche bin ich auf ein bisschen neue oder neuaufgelegte, ein bisschen komplexe Popmusik gestoßen. Vielleicht ist da was für Sie dabei.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass man eine weltberühmte Persönlichkeit im Blatt hat, diese Woche ist es uns wieder einmal gelungen: Katharina Kropshofer und Benedikt Narodoslawsky haben mit der Verhaltensforscherin Jane Goodall über ihre jungen Jahre mit den Schimpansen in Tansania gesprochen, und darüber, warum man trotz düsterer Prognosen für Klima und Biodiversität nie die Hoffnung verlieren sollte. Das Interview können Sie hier lesen und hier anhören.
Nina Brnada erzählte im Maily #816 von der alleinerziehenden Katarina, die eine ukrainische Familie bei sich und ihrer Tochter zu Hause aufgenommen hat, und alle mit ihrem Teilzeitgehalt als Supermarkt-Kassiererin durchbringt. Von der Politik wird die beeindruckend hilfsbereite Frau weitestgehend alleine gelassen. Zahlreiche Maily-Leserinnen und Leser meldeten sich daraufhin mit dem Wunsch, Katarina finanziell unter die Arme zu greifen. Wir finden das richtig schön und wollen festhalten, dass wir die besten Leserinnen und Leser haben!
Die besten Outdoor-Tipps gibts in den Büchern aus dem Falter Verlag. Wenn Sie gerne wandern, empfehlen wir "Wandern im Waldviertel", das morgen Montag um 19h im Alpenvereinhaus in der Rotenturmstraße präsentiert wird. Wenn Sie lieber in Wien bleiben wollen, greifen Sie zu "Verlockende Oasen", das durch Wiens Parks und Gärten führt. Das Buch stellen die Autorinnen am Mittwoch, den 3. Juni, ab 19h im Thalia Wien-Mitte vor. Wir freuen uns, wenn Sie vorbeischauen!
Liebe FALTER.maily Leser*innen!
Wie Sie sehen, fehlt uns jemand im Sales-Team des FALTER.morgen und des FALTER.maily. Wir suchen Verstärkung!
Was wir tun? Wir verkaufen und produzieren die Anzeigen, die Sie in den beiden Newslettern sehen. Mehr dazu finden Sie in dieser Stellenausschreibung.
Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!