Vom Striezel zur Katastrophe und zurück - FALTER.maily #1198
Ich habe mir angewöhnt, meine Sonntage mit einem selbstgemachtem Striezel zu begrüßen.Nicht schlecht für den ersten Satz eines ...
Die Arbeit von Regierungskoalitionen besteht zu einem großen Teil aus zweierlei: Kompromissen und Konfliktmanagement. Gelingt das Erste nicht, ist das Zweite gefragt. Das Regierungsübereinkommen zwischen ÖVP und Grünen hat das beim Thema Migration sehr deutlich gezeigt. Zwischen den Positionen der beiden Parteien war kein Kompromiss möglich. Man einigte sich darauf, das Thema im Krisenfall ohne Rücksicht aufeinander zu lösen, im "koalitionsfreien Raum".
Einen solchen könnte die Wiener Stadtregierung demnächst betreten. Die Inflation treibt die Kosten nahezu aller Lebensbereiche in die Höhe. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig will den Wienern Entlastung verschaffen, und zwar bei den seit geraumer Zeit steigenden Mieten. Konkret geht es um den Lagezuschlag, der bei Altbauwohnungen draufgeschlagen werden kann.
Die meisten Mieten in Häusern, die vor 1945 errichtet wurden, unterliegen dem gesetzlich gedeckelten Richtwertzins. Das sind in Wien derzeit 6,15 Euro pro Quadratmeter. In besonders guten Lagen kann der Vermieter darüber hinaus einen Lagezuschlag verlangen. Das System hat allerdings einen Konstruktionsfehler: Der Lagezuschlag bemisst sich vor allem am Grundstückspreis. Steigen die Grundstückskosten, etwa, weil Immobilienfonds ihre Milliarden veranlagen wollen, steigt auch der Lagezuschlag und damit die Altbaumiete.
Dieses System will Michael Ludwig nun vom Verfassungsgerichtshof prüfen lassen. Das – ohnehin reparaturbedürftige – Mietrechtsgesetz ist Bundesmaterie. Jede Landesregierung kann vom VfGH prüfen lassen, ob ein Gesetz verfassungsgemäß ist oder nicht. Dass die marktliberalen Neos in dieser Frage mit ihrem Koalitionspartner mitgehen, ist schwer vorstellbar.
Im November vorigen Jahres reagierte Neos-Wohnbausprecherin Selma Arapović auf eine Diskussion um eine Leerstandsabgabe so: "Eine Leerstandsabgabe kommt im Koalitionsabkommen nicht vor und ist daher kein Thema, sie fällt nicht in Landeskompetenz und bedeutet einen schweren Eingriff in die Eigentumsrechte!"
Am SPÖ-Parteitag sagte Michael Ludwig vor den Genossen listig: "Wir werden eine Möglichkeit finden, dass wir das zum Verfassungsgerichtshof bringen. In irgendeiner Form, es wird uns etwas einfallen. Wenn nicht als Stadtregierung, dann in einer anderen Form."
Bürgermeister Ludwig steht vor der Frage: Kompromiss oder Konfliktmanagement?
Ihr Josef Redl
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