Zwei oder drei Dinge, die Sie über Ralf Rangnick wissen müssen

Lukas Matzinger
Versendet am 12.06.2022

"Ich glaube nicht, dass es irgendwas zu gratulieren gibt. Ich bin überhaupt nicht zufrieden mit diesem Ergebnis", sprach Ralf Rangnick. Der Mann muss etwas falsch verstanden haben, er ist Trainer des österreichischen Fußball-Nationalteams und die hatte gerade 1:1 gegen Frankreich (den Weltmeister) gespielt. Den Interviewer Rainer Pariasek hinterließ die Antwort ratlos, die habituelle ORF-Sport-Feierlaune war fast gefährdet.

In wenigen Trainings und drei Spielen hat Ralf Rangnick etwas in dieser Mannschaft bewegt, jeder konnte es sehen. "Es zeigt einfach, dass wir vielleicht irgendwo die Schnauze voll haben von einer gewissen Art, Fußball zu spielen, wie wir es vielleicht in den Jahren zuvor hatten", formulierte der Kapitän David Alaba. Als hätte sie der vorherige Trainer Franco Foda fünf Jahre lang chloroformiert.

Ralf Rangnick versteckt seine Lebensleistung als Fußballvisionär hinter dem Liebreiz des schwäbischen Sportwissenschaftlers, der er ist. Beobachter nennen es Glück, dass er sich genau unsere Landesauswahl als neuestes Entwicklungsprojekt ausgesucht hat. Fügung träfe es besser.

Weil er schon als Sechsjähriger "die Zehnjährigen in Mannschaften eingeteilt und ihnen Kommandos erteilt" hatte, meldete ihn sein Vater für die D-Jugend des Heimatklubs Viktoria Backnang an. Mit 25 Jahren war Rangnick dann Jahrgangsbester an der Sporthochschule Köln und Spielertrainer jenes Backnang. Als Erweckungsmoment nennt er ein Freundschaftsspiel im Winter auf 1985 gegen Dynamo Kiew unter deren Trainerdenkmal Walerij Lobanowskyj.

"Nach zehn Minuten habe ich mal durchgezählt", sagt Rangnick über dieses Spiel, "sind die etwa einer mehr?" Lobanowski hatte von der Sowjetunion aus die 4-4-2-Formation zur Weltanschauung werden lassen, seine Athleten hatten den Ball zu jagen. Das ist Rangnicks Fußballideal geblieben: Der ballführende Gegner soll das Gefühl haben, gegen alle elf Spieler gleichzeitig zu spielen.

Und weil der Typ keine Ideologie außer jener am Feld kennt, spielt er seit Jahren gegen alle Sportromantiker gleichzeitig. Zweimal baute er aus dem Schotter von Milliardären große Fußballmarken: Erst verschwendete er seine Gabe an das Ballsport-Startup eines SAP-Mitgründers (TSG 1899 Hoffenheim walzte unter Rangnick von der Regionalliga in die deutsche Bundesliga).

Dann dasselbe in Weiß-Rot: Bevor Rangnick 2012 Sportdirektor von Red Bull Salzburg wurde, war die Mateschitz-Mannschaft eine Art Altstar-Sammelzentrum. Rangnick aber wollte die ballhungrigsten Buben des Landes in der Salzburger Fußballakademie sehen, ein paar Jugendscouts von Ghana bis Kanada konnten nicht schaden. Heute ist der Red-Bull-Fußball (jung, hungrig, besitzergreifend) ein Modeentwurf für halb Europa.

Ralf Rangnicks Verdienste um die Qualität des österreichischen Fußballs setzen also zehn Jahre vor seiner Unterschrift als Teamtrainer an. Gegen Frankreich hat er ein Mittelfeld aus vier (Ex-)Red-Bull-Spielern aufgestellt. Bei der Europameisterschaft 2024 in seiner Heimat Deutschland will er wieder den Argwohn der Massen auf sich ziehen.

Ihr Lukas Matzinger


Zum Schaün

Einmal spielt die österreichische Nationalmannschaft noch vor dem Herbst. Morgen, Montag, um 20:45 Uhr auswärts gegen die starken Dänen. ORF1 überträgt live und in Fieber.


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