Manche Welt liegt in Innsbruck - die wahre ist es nicht - FALTER.maily #1207
Gestern Abend hatte ich zwei sehr liebe Freundinnen zu Besuch. Die eine arbeitet als Grafikerin, die andere im Bankwesen. Wir hatten einander ...
Ich gestehe, gestern Abend vergaß ich Wolfgang Sobotka. Heute in der Früh kam mir das siedend heiß zu Bewusstsein, aber da ich mich ausgeschlafen hatte, war es schon acht Uhr vorbei, und ich wollte mir gerade die sonntägliche Freude machen, die Sendung „Du holde Kunst“ einzuschalten, die Sie nicht versäumen sollten, so lange es sie noch gibt, denn der Sender Ö1 ist gegen den Willen der Mehrzahl seines redaktionellen Personals vergangene Woche endgültig aus dem historischen, zentral gelegenen Funkhaus auf den peripheren Küniglberg übersiedelt worden.
Dort entstand die Ausgeburt von Menschen im Medienmanagement mit Abglanz im Hirn und „Asche im Herzen“ (Robert Schindel), der sogenannte zentrale Newsroom, der mit Erleichterung durch Ausschaltung von Doppelgleisigkeiten argumentiert wird, wie alles, was in den Augen eines glänzend aschgrauen Managements gut und neu ist.
Mitunter steckt hinter solchen Ausschaltungen von Doppelgleisigkeiten, die man neumanagementsprachlich natürlich „Hebung von Synergien“ nennt, auch nur ein politisches Kalkül. Die Zusammenlegung der Krankenkassen sollte uns aufgrund erspartem Siewiessenschon und Hebung von Siewissenauchschon eine Milliarde Euro bringen. Die versprochene Ersparnis einer Milliarde Euro, in den Message-Casinoraum gestellt von der Regierung Kurz-Strache, hätte einen mit tiefem Misstrauen erfüllen sollen, aber das kann man erst aus der Doppelgleisigkeit des Nachhineins wirklich gut beurteilen.
Ein paar Besserwisser, Ihr Autor eingeschlossen, monierten zwar schon damals den nur durchsichtigen Zweck, die Selbstverwaltung der Kassen zu erledigten und durch die glänzende Kompetenz „der Wirtschaft“ (Kaufhaus Österreich!) zu ersetzen, aber wer hört in solchen Dingen schon auf unsereinen.
Jedenfalls kam es, wie es kommen musste, eher über Kurz als über Lang flog der Schmäh auf, und der Rechnungshof konstatierte nun, wie das Magazin Profil aufdeckte, dass statt einer Ersparnis von einer Milliarde Mehrkosten von 250 Millionen aufliefen. Bis jetzt.
Der SPÖ scheint derweil die Doppelgleisigkeit einer Promi-Partei erspart zu bleiben, die angeblich mit der Galionsfigur des jugendlichen Altkanzlers Christian Kern an der Spitze ein Potential von bis zu 20 Prozent gehabt hätte (bald werden wir froh sein, wenn unsere Altkanzler schon ins Kino dürfen). Aber Kern dementierte soeben in jener Zeitung, der er so viel verdankt, der Kronen Zeitung. Das ist eine Doppelgleisigkeit eigener Art, denn Kern flog nicht nur deswegen aus dem Amt, weil die ÖVP in erschleicherischer Absicht doppelt so viel für den Wahlkampf ausgab als die Konkurrenz, sondern auch, weil er sich geweigert hatte, die Schutzgeldangebote des Boulevards anzunehmen und deswegen dort fest hinuntergeschrieben wurde.
Die ÖVP klagte den Falter bekanntlich, weil er die Geschichte mit ihren geplanten Überschreitungen der Wahlkampfkosten enthüllt hatte, und verlor in allen Instanzen. Umso mehr rührte es mein Herz, als der Nationalratspräsident Sobotka, dem ich dann eilig doch noch meinen täglichen Zweizeiler in den blauen Twitter-Sonntagshimmel nachschoss, in einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung den Satz sagte: „Es ist ein Trauerspiel, dass Politik zunehmend mit Anzeigen, nicht mit Argumenten betrieben wird… Ich habe das nie gemacht, weil das Streitwort im besten Sinne politisches Mittel ist.“ Das ist einmal ein Streitwort in krausestem Sobotkinesisch. Wir lassen es so stehen, nicht ohne auf jene Doppelgleisigkeit hinzuweisen, die öffentlich Anzeigen ablehnt und sie fleißig selbst erstattet.
Haben Sie trotzdem eine schöne Woche,
Ihr Armin Thurnher
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