Je suis SPÖ - FALTER.maily #1050
Bevor China die schlimmsten Seiten von Kommunismus und Kapitalismus zur Nationalphilosophie erhob, gab es dort einige interessante Denker. Huainanzi ...
Bis 1786 war das Burgtheater in Wien nicht im Sommer, sondern während der Fastenzeit geschlossen. Dann kippte Joseph II. die Schließung während der Fastenzeit. Seitdem bekommt das Theater Sommerferien.
In London gibt es diese Tradition nicht. Das ist normalerweise gut so, man und frau können im verregneten Juli wenigstens ins Theater gehen. Außer in diesem Sommer. Wochenlang gab es keinen Tropfen Regen, am Höhepunkt der Hitzewelle vorige Woche begannen bei 40 Grad die Landebahnen in Heathrow zu schmelzen.
Die vor Monaten geplanten Besuche im Theater wurden durch die Höchsttemperaturen - bei aller Liebe - zur Folter. In der "Möwe" im Harold-Pinter-Theater in Soho saß ich ganz oben unter dem Dach. Wir glühten. Aber nicht vor Liebe zu Tschechow oder Emilia Clarke (bekannt als Daenerys, die Mutter der Drachen aus Game of Thrones) in der Rolle der jungen Schauspielerin Nina, sondern vor Hitze. Am Ende stolperten wir krebsrot aus dem Theater. Als hätten wir nicht den Abend mit Tschechows Möwe, sondern mit den Drachen von Daenerys verbracht.
Die nächste seit Wochen mit Spannung erwartete Premiere war das brandneue Stück von Peter Morgan, dem Autor von "The Crown". Statt der britischen Königin widmet sich Morgan jetzt dem Konkurrenzkampf zwischen Wladimir Putin und Boris Beresowski.
Die Uraufführung von "Patriots" im Almeida-Theater in Islington klappt ganz gut mit dem schon bei der "Crown" erfolgreich getesteten Mix aus Promitratsch und Welthistorie. Am Ende ist Beresowski tot und Wladimir Putin wütet weiter. So wie im echten Leben.
In der Theaterbar nachher wurde weniger über das Stück, sondern über die Affenhitze im Saal diskutiert. Neben mir sagte einer, die Leute sollen sich nicht so aufregen: "Snowflakes schmelzen immer."
Da es sich leider nicht um eine Marotte von Millenials, sondern um die Klimakatastrophe handelt, müssen selbst die konservativen Londoner Kulturinstitutionen umdenken. Zum Musikfestival Proms, das in London bis zum 10. September läuft, dürfen Zuschauer:innen erstmals in der Geschichte nicht nur Fächer sondern, - tief durchatmen – elektrische Ventilatoren mitnehmen.
Na dann: Gute Unterhaltung!
Ihre Tessa Szyszkowitz
Wie es weitergeht, wenn es immer heißer wird, was es für unseren Alltag, unsere Städte, die Wirtschaft und ganz allgemein unsere Zukunft bedeutet, haben Katharina Kropshofer und Benedikt Narodoslawsky recherchiert.
Glücklicherweise bereits abgekühlt hat der Wiener Sommer für das popfest, das morgen startet: Bestandsaufnahme der jungen heimischen Musikszene, urbaner Treffpunkt, Einladung zu Entdeckungen und Ort für kritische Diskurse. Gerhard Stöger porträtiert das Musikfestival am Karlsplatz und gibt Konzertempfehlungen.
Wenn Sie noch mehr Kultur in die Hitzepause pressen wollen: Der Künstler und Kurator Bogomir Doringer erforscht Tanz, Trance und Clubbing als Protestform und Überlebensstrategie. Die von ihm kuratierte Ausstellung "No Dancing Allowed" ist bis 20.11. im Freiraum im Wiener Museumsquartier zu sehen.
Agentur, obskur: FALTER-Politikchefin Eva Konzett nimmt in der aktuellen Ausgabe einen Verein unter die Lupe, der für Österreich EU-Projekte abwickelt und jetzt unter Geldwäscheverdacht steht. Katsching!
Zug fährt ab!
Terranes Reisen, also die Fortbewegung zu Erden ganz ohne Flugzeug, ist der Urlaubstrend 2022. Othmar Pruckner ist mit seinem Buch Auf Schiene Trendsetter und versammelt neben 33 Bahnreisen in und um Österreich Wanderungen, Radtouren und Städtebesuchen.
Der Sommer kann kommen!
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