Der Kanzler verdient zu viel. Echt? - FALTER.maily #879

Armin Thurnher
Versendet am 22.08.2022

Heute früh verblüffte mich die Kronen Zeitung. Dieses Blatt, einst gegründet, um die österreichischen Massen zart nach Mitte Links zu lenken, wie man das früher einmal formuliert hätte, weist eine beklagenswerte Geschichte als Brandbeschleuniger fremdenfeindlicher und rechtsextremer Ressentiments auf. Zwischendurch betrieb es immer wieder die Agenda sozialdemokratischer Kanzler oder Wiener Bürgermeister, aber stets so, dass die Interessen des Blattes gewahrt bleiben: dass es von der Politik bekommt, was es braucht.

Heute früh jedoch las ich im Newsletter des Krone-Chefredakteurs: „Wie viele monatliche Pensionsauszahlungen braucht es, um auf das Gehalt des Bundeskanzlers zu kommen? Dieser Frage gingen unsere Reporter nach und siehe da – Es sind exakt 13 österreichische Pensionisten notwendig, um auf das Salär zu kommen. Erschütternd dabei ist: Die Durchschnittspension für Männer liegt laut Sozialversicherungen bei 1858 Euro, Frauen bekommen mit 1150 Euro gar um fast 40 Prozent weniger. Inmitten der für viele unerträglichen Teuerungswelle ist für diese 13 Menschen – sie stehen exemplarisch für die allermeisten Pensionisten – unverständlich, warum eine höhere Pensionsanpassung schier unmöglich ist.“

Ja, das ist klar. Das ist ungerecht, die Pensis bekommen zu wenig. Die Erhöhung der Pensionen unter der Inflationsrate zu halten ist entwürdigend. Aber das Salär des Bundeskanzlers als Vergleich herzunehmen und nicht etwa jenes des Krone-Chefredakteurs heranzuziehen, ist auch nicht ganz sauber.

Des weiteren meine ich, man kann ruhig eine Diskussion über Relationen beginnen. Wenn der Bundeskanzler der Republik Österreich ein Zehntel dessen verdient, was ein österreichischer Topmanager einstreicht, stimmt etwas nicht. Im Vergleich zu Managern großer Fonds wie Blackrock verdient Nehammer gar nur ein Hundertstel (Blackrock-Chef Larry Fink nimmt 30 Millionen Dollar jährlich, sein bester Hedgefonds-Manager bekommt dreimal so viel).

Höre ich da jemanden „Neiddebatte!“ blöken? Das wäre die übliche Antwort. „Freiheit des Marktes“ ist die nächste. Leistung soll sich lohnen, heißt es. Aber keines Menschen Leistung kann tausendmal so viel wert wie die eines anderen. Selbstbegrenzungen funktionieren offenbar nicht. Wenn wir uns unsere Freiheiten erhalten wollen, sollten wir also wohl oder übel über Grenzen sprechen. Auch wenn Initiativen zur Begrenzung von Managergehältern in der Schweiz abgeschmettert wurden: die Dominanz der Finanzwirtschaft, die sich in solchen Missverhältnissen ausdrückt, muss eingehegt werden.

Ich wünsche Ihnen trotzdem eine schöne Woche.

Ihr Armin Thurnher


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