It's the bribery, stupid! - FALTER.maily #1055
Ich würde meinen, wir müssen die Geschichte über Sebastian Kurz fabelhaften Aufstieg zum ÖVP-Chef und Kanzler grundsätzlich ...
Jetzt also doch: Keine Weltpremiere für "Sparta". Der neueste Film von Star-Regisseur Ulrich Seidl wird nicht am 47. Toronto International Film Festival (TIFF) in Kanada aufgeführt. Das teilte das Festival in einer sehr kurz gehaltenen Aussendung mit. "Alle öffentlichen und professionellen Screenings wurden gestrichen."
Was ist passiert? Im Spiegel war vergangene Woche eine Recherche zu den Dreharbeiten im Sommer 2019 erschienen. Mit beunruhigendem Inhalt. Mehrere rumänische Eltern und deren Kinder, die in "Sparta" als Laiendarsteller mitgewirkt hatten, erhoben schwerwiegende Vorwürfe. Die Produktionsfirma habe sie nicht über den Inhalt des Films informiert. Und die Kinder seien mit Gewalt, Alkoholismus und Nacktheit konfrontiert worden, ohne Vorbereitung oder professionelle Begleitung.
"Sparta" handelt vom Österreicher Ewald, der in Rumänien einen Neuanfang wagen möchte, er baut mit Kindern eine Schule. Innerlich kämpft er jedoch mit einer pädophilen Neigung. Die rumänischen Kinder, die man vor Ort castete, wussten laut Spiegel nicht Bescheid, dass sie im Film als Objekt der Begierde auftreten. Im aktuellen FALTER habe ich die Vorwürfe zusammengefasst.
Die jetzige Absage der Weltpremiere ist ein Wendepunkt. In Österreich, so der Eindruck, windet sich die Kunst- und Kulturszene klar Stellung zu beziehen. Kaum jemand postet zur Causa Seidl, kaum jemand möchte öffentlich zitiert werden. Und das, obwohl – off the record – viele einen Vorfall in der Art "eh erwartet" hätten.
Um die Vorwürfe zu verstehen, muss man Seidls Arbeitsmethode kennen. Meistens gibt es kein festes Drehbuch, die Darsteller sollen sogar explizit unvorbereitet und intuitiv spielen. Oftmals bringen sie dafür ihre eigene Lebenserfahrung ein. Sie erleben vergangene Emotionen neu, um filmische Momente zu erzeugen, die in ihrer Unmittelbarkeit bestechen. Momente, die eben nicht gespielt, nicht erwartbar sind, sondern einen Ausschnitt der vermeintlich realen Welt zeigen. Und diese Welt ist oft das Gegenteil einer Idylle. Sie ist grausam.
Unzweifelhaft liegt darin Seidls künstlerische Stärke. Seine Filme verstören, nicht zuletzt durch die schauspielerische Leistung seiner Darsteller. Deren Leid überträgt sich auf das Publikum, auch deren Furcht und Verzweiflung.
Genau deshalb sollte man den Fall in Rumänien nicht mit einem ästhetischen Argument vom Tisch wischen. Bei anderen Werken Seidls mag es im Auge des Betrachters liegen, ob es nun gut oder schlecht ist, wenn erwachsene Darsteller – egal ob Laien oder Schauspieler – ihr Innerstes zur Schau stellen. Bei Schutzbedürftigen liegt der Fall anders.
Die Kinder in Rumänien waren zwischen neun und 16 Jahre alt, sie sprechen nicht die Sprache des Regisseurs und kommen aus Satu Mare, einer der ärmsten Städte ihres Landes. Viele Väter sind ins Ausland gegangen, einige sind dem Alkoholismus verfallen. Wenn diese Kinder die Grenze zwischen Realität und Fiktion nicht mehr spüren, ist das kein Spiel. Es ist grausam.
Dass jetzt eine Diskussion entsteht, scheint notwendig. Es geht dabei nicht um die Freiheit der Kunst. Sondern um den feinen Unterschied – zwischen einem ebenbürtigen Gegenüber und einem Schutzbefohlenen.
Einen schönen Abend wünscht
Ihre Lina Paulitsch
Die Recherche zur Causa Seidl des Spiegel finden Sie hier.
Queen Elizabeth II. ist gestern verstorben. Eine Ära geht zu Ende. Meine Kollegin Tessa Szyszkowitz lebt in London, sie hat die Queen im FALTER gewürdigt.
Die große Kunstausstellung im Herbst findet in der Albertina statt. Jean-Michel Basquiat war ein US-amerikanischer Künstler, Maler und Zeichner afroamerikanischer Herkunft. Er verstarb 1988 und wurde 27 Jahre alt. Immer noch gilt er als Ikone, etwa der Black-Lives-Matter-Bewegung, schreibt meine Kollegin Nicole Scheyerer.
Im ORF-Sommergespräch schockierte Bundeskanzler Karl Nehammer mit seiner Lobrede für das vermeintliche Klimamusterland Österreich. Die Realität ist eine andere: Österreich ist eines von wenigen Ländern der Europäischen Union, die ihren Treibhausgas-Ausstoß in den vergangenen 30 Jahren gesteigert statt gesenkt haben. Die Kritik an Nehammers Aussagen hat Gerlinde Pölsler im heutigen FALTER.natur-Newsletter zusammengefasst.
Genug vom endlosen Schmökern in viel zu dicken Erziehungsratgebern? Der „Kind in Wien”-Newsletter informiert einmal in der Woche kurz, prägnant und kostenfrei alle, die in Wien mit Kindern im Alter von null bis zwölf Jahren zu tun haben.
Jetzt abonnieren unter: falter.at/kinder