Es lebe das Gemeindebau-Theater! - FALTER.maily #1196
Gestern war ich im Rabenhof Theater auf einer Party. Die Bühne in Erdbergs schönstem Gemeindebau ist einer der lebendigsten Kulturbetriebe ...
Vergangene Woche hat mir ein Freund, ein linksliberaler Schriftsteller, einen Link zu einem offenen Brief geschickt. Er spottete nach der Lektüre: "Bin immer schon trotz der Linken links. Sicher nicht wegen." Mir geht es ähnlich.
In dem offenen Brief geht es vordergründig darum, dass Österreich neutral bleiben und sich aus Kriegen heraushalten solle. Aber dann stand da noch etwas: "Wir dürfen nicht auf einem Auge blind sein. Die Gefahr kommt nicht nur vom Osten, sondern auch vom Westen, von der USA/NATO- und EU-Militarisierung – inklusive des nun auch massiv aufrüstenden Deutschlands (…) Denn in Wirklichkeit wird nicht um europäische Werte gekämpft, sondern um den Einfluss des westlichen Kapitals gegen das östliche Kapital. Jegliche Art des Mitmachens oder der Teilnahme verschlimmert den Krieg und macht Österreich überdies zur Kriegspartei."
"In Wirklichkeit"?
Dieser offene Brief wurde von vielen an sich klugen linken Köpfen unterzeichnet: Professoren, Künstlerinnen, Ex-Ministern, Politologen, Klimaforscherinnen. Manche haben mir auf Nachfrage erklärt, den Brief gar nicht richtig gelesen zu haben. Ich frage mich, was denn jene Ukrainer zu dem Schreiben gesagt hätten, die ihre Verwandten, Freunde oder ihre Existenz im Krieg verlieren.
Vermutlich hätten sie den Unterzeichnern vorgeworfen, sich nie wirklich mit der osteuropäischen Zivilgesellschaft und ihrem Kampf um "westliche Werte" auseinandergesetzt zu haben. Werte, die der Westen übrigens in den letzten 20 Jahren selbst ruiniert hat, wie Peter R. Neumann in seinem neuen Buch argumentiert.
Ich fürchte, es gibt da ein Missverständnis und eine gewisse Ahnungslosigkeit. Putin bombardiert die Ukraine nicht deshalb, weil die NATO "vorgerückt ist" oder weil hier "östliches gegen westliches Kapital" kämpft. Putin kämpft auch nicht, weil die NATO oder "der Westen" irgendein Versprechen gebrochen hätte. Der ehemalige Moskau-Korrespondent der Zeit, Michael Thumann, hat diesen Mythos hier sehr kenntnisreich dekonstruiert.
Putin führt einen faschistischen Vernichtungs- und Angriffskrieg gegen die liberale Demokratie, also gegen das Versprechen, dass der Mensch Abwehrrechte gegen den Staat hat, wenn Machthaber korrupt oder brutal werden. Putin führt diesen Krieg seit 20 Jahren im Großmachtsdenken. Es ist ein imperialistischer und faschistischer Kolonialkrieg, ein Raubzug. Er will jene Völker unterwerfen, die schon der Sowjetkommunismus (für den Putin spitzelte) entrechtet und ermordet hat.
Dass Europas Rechtsextreme Sympathien für einen wie Putin hegen (oder zumindest Sympathien für die illiberale Demokratie der Marke Orbán) ist nicht erstaunlich. Dass sich Industrielle und Unternehmer Putin andienen - auch das überrascht nicht. Verwunderlich aber ist, wie sehr auch so mancher Linke „antiwestlichem“ Denken verhaftet ist, wenn es um die Analyse und vor allem die Bekämpfung des Putinismus geht.
"Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine stehen viele Linke nun ratlos da", schreibt der linke Politikprofessor Nikolaus Kowall in diesem lesenswerten Essay. Er ortet eine grassierende Verwirrung. Sein Appell: "Die demokratische Linke muss sich (…) an der Seite der liberalen Demokratie einreihen. Es geht dabei um keinen imperialistischen Wettstreit zwischen der EU und Russland oder zwischen den USA und China, wer den besseren geopolitischen Platz an der Sonne ergattert. Es geht um den Kampf für Demokratie."
Es ist die Hilfe des Westens (und wohl auch der NATO und der USA mit ihren HIMARS [High Mobility Artillery Rocket System] und ihren Geheiminformationen) die den Ukrainern gerade dabei hilft, ihr Land zu befreien. Es ist Putin, der zu keinem Rückzug bereit ist, weil er seine Sphäre ausdehnen will. Es ist Putin, der auch seine kleptokratischen Interessen durchsetzen will. Es ist Putin, der in diesen Monaten hunderttausende, vielleicht sogar mehr als eine Million Ukrainer deportiert – darunter viele Waisenkinder. Es ist Putin, der auch in Österreich ein Netzwerk von ehemaligen KGBlern, Oligarchen und Günstlingen eingerichtet hat. Putin ist die Gefahr und nicht "der Westen".
Ich wünsche mir von unserer (linken) Intelligenz, all das in einem offenen Brief auszusprechen – adressiert an Putin.
Ihr Florian Klenk
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