Stimmen aus dem Iran

Daniela Krenn
Versendet am 02.10.2022

Gestern fanden erneut weltweit Solidaritätsbekundungen für die iranischen Demonstrant:innen statt. Von Aachen in Deutschland über Brighton in England, von Nashville in den USA über Wellington in Neuseeland. Auch am Wiener Schillerplatz oder zum wiederholten Mal am Stock-im-Ernst-Platz (beide im 1. Bezirk) trafen Hunderte Menschen zusammen. 

Vor zwei Wochen starb die 22-jährige Kurdin Jina Mahsa Amini, weil sie angeblich ihren Hijab nicht wie vorgeschrieben getragen hatte, in Folge brutaler Polizeigewalt. Seither protestieren so viele Iraner:innen wie nie zuvor für "Frauen, Leben, Freiheit". Warum sie anders sind als alle Proteste im Land zuvor, hat übrigens Solmaz Khorsand im FALTER der vergangenen Woche eindrücklich beschrieben.

Trotz der anhaltenden Demonstrationen sieht man in letzter Zeit immer weniger Videos oder Berichte der protestierenden Iraner:innen in den sozialen Netzwerken. Das Mullah-Regime hat den Zugang zu Whatsapp und Instagram eingeschränkt und zeitweise Mobilfunknetze landesweit abgeschaltet. So will es Proteste unterdrücken und es Teilnehmenden erschweren, sich zu vernetzen.

Die Proteste passieren aber trotzdem landesweit, nur die Weltöffentlichkeit bekommt davon in den sozialen Netzwerken weniger mit. Personen, die zeigen, was im Iran passiert, sind beispielsweise die Journalistin Masih Alinejad (Twitter), der lokale Verein Middle East Matters (Twitter), die iranische Schauspielerin Golshifteh Farahani (Instagram) oder die Journalistin und Filmemacherin Duzen Tekkal (Instagram). 

Eine Frau in Österreich, die besonders engagiert Videos der iranischen Proteste teilt, ist beispielsweise Shoura Hashemi, Juristin im diplomatischen Dienst des Außenministeriums.

Ein Grund, warum es trotzdem immer wieder Videos ins Netz schaffen, ist, dass Iraner:innen mittlerweile Profis darin sind, Einschränkungen und Zensur im Netz zu umgehen. Denn das autoritäre Regime zensiert bereits seit Jahren Dienste im Web, wie beispielsweise Facebook oder Twitter. Jetzt auch Instagram, das rund 45 Millionen iranische User:innen nutzen (und ironischerweise auch hochrangige iranische Politiker wie der Oberste Führer Ayatollah Seyed Ali Khamenei).

Aber auch in Österreich können Menschen helfen und das, während sie zu Hause sitzen und mithilfe weniger Klicks. "Snowflake" ist eine Browser-Erweiterung für Chrome oder Firefox, die zensurfreies Surfen im Netz ermöglicht. Und das nicht nur im Iran, sondern auch in anderen Ländern, die einen eingeschränkten Internetzugang haben, wie etwa Russland oder China.

Sehr vereinfacht gesagt, teilt man damit seinen eigenen freien Internetzugang mit einer Person, die einen solchen nicht hat. Für einen selbst ist das übrigens komplett sicher. Fast 200.000 Menschen benutzen diese "Brücke" ins freie Netz bereits täglich.

Beinahe schlimmer für die iranische Bevölkerung sind aber die anhaltenden  Internetunterbrechungen seit Beginn der Demonstrationen. Dadurch entsteht im ohnehin schon von strenger Zensur betroffenen Internet im Iran ein komplettes Informationsvakuum für die Menschen.

Mittlerweile geht das Regime immer härter gegen Protestierende vor, fast 80 Menschen sind bereits durch die Gewalt der Sicherheitskräfte während der Proteste gestorben. 1.200 Regimegegner:innen hat die Polizei festgenommen. Den Protestierenden geht es um nichts weniger als den Sturz des Regimes. Während dieses alles versucht, um freie Meinungsäußerung im Netz massiv zu beschneiden. 

Die vereinzelten Berichte, die es ins Netz schaffen, sollten aber weltweit gesehen und gehört werden. Denn die Stimmen der iranischen Protestierenden sind da und sie sind laut. 

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen

Ihre Daniela Krenn


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