Schmids Geständnis - FALTER.maily #928

Florian Klenk
Versendet am 18.10.2022

Es ist schon wieder was passiert. Die WKStA hat heute, wie es in schlechtem Journalistendeutsch heißt, für einen "Knalleffekt" gesorgt. Sie gab bekannt, dass Thomas Schmid den Kronzeugenstatus begehrt.

Während ich diese Zeilen schreibe, warten Österreichs Journalisten darauf, dass die Einvernahmeprotokolle von Schmid in die Akteneinsicht gelegt werden. Dann werden einige am Ibiza-Verfahren beteiligte Strafverteidiger eine PDF-Kopie ziehen und uns übergeben.

Wir werden dann über eine "politische Bombe" berichten, nämlich über Schmids Geständnis. Dem Vernehmen nach soll Thomas Schmid Sebastian Kurz schwer belastet haben. Er soll auch in den Causen Sigi Wolf und René Benko ausgepackt haben.

Heute fanden deshalb beim Investor René Benko und anderen Verdächtigen Hausdurchsuchungen statt - einen ausführlichen Bericht dazu lesen Sie hier. Kurz soll zudem die Inseratenkorruption (Steuergeld für Fake-Studien und wohlwollende Berichterstattung) in Auftrag gegeben haben. Belastet werden auch die Österreich-Manager Helmuth und Wolfgang Fellner.

Thomas Schmid hat bei der WKStA in stundenlangen Einvernahmen offenbar reinen Tisch gemacht. Er tat dies, ohne seinen Verteidiger Thomas Kralik zu verständigen. Schmid nahm sich einfach einen neuen Anwalt, den Routinier Roland Kier.

Anders als die ÖVP-nahen Anwälte wurde Kier in der Kanzlei des Rechtsprofessors Richard Soyer sozialisiert. Er ist kein Mann für große Medieninszenierungen oder Attacken auf die Justiz, sondern versucht – wie ein Notfall-Mediziner – nach einem Unfall zu retten, was zu retten ist. Der Unfall war das Geständnis von Sabine Beinschab. Sie hatte Schmid belastet und reinen Tisch gemacht und ist wohl bald mit einer Bußgeldzahlung raus aus dem Verfahren.

Schmid wusste: Aufgrund der Aussagen von Beinschab droht ihm jahrelange Haft. Denn er war nicht nur Generalsekretär im Finanzministerium, sondern auch Kabinettschef und später Chef der ÖBAG, die Österreichs Industrieanteile in Milliardenhöhe verwaltet.

Die Vorwürfe der Untreue und der Bestechung hätten ihm viele Jahre seines Lebens gekostet. Schmid kann nun damit rechnen, ohne unbedingte Haftstrafe davon zu kommen. Schmids Strategie lautet daher: kein Wort zu den Medien. Maximale Offenheit gegenüber der WKStA.

Ex-Kanzler Kurz, der offenbar von ihm belastet wird, wird nun entweder die Glaubwürdigkeit von Schmid in Zweifel zu ziehen versuchen (und ihn als eitlen und charakterlich defekten Wichtigtuer framen). Oder er wird sich der neuen Realität stellen müssen, dass hier einer seiner engsten Vertrauten aus dem Innersten der Macht berichtet.

Es geht nun um sehr viel. Zum Beispiel um die Frage, ob Kurz – im Falle einer Verurteilung – seine Jahre als Jungvater in der Justizanstalt Simmering verbringen will oder doch zu Hause. Und dasselbe gilt auch für die engsten Mitarbeiter von Sebastian Kurz. Auch für sie gilt der Grundsatz, dass ein Geständnis ein wesentlicher Milderungsgrund ist. Dann können alle Beteiligten und die Republik das Kapitel Kurz endlich abschließen.

Ihr Florian Klenk


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