Schutzzone am Keplerplatz - FALTER.maily #932

Daniela Krenn
Versendet am 23.10.2022

Wer gestern am Keplerplatz im zehnten Bezirk um die Kirche spazierte, sah jeden Masten, jede Ecke mit folierten Din-A4-Zetteln behängt. Zehn, zwanzig, vierzig Stück zählte man auf dem Rundgang. Auf allen derselbe Hinweis: Hier gilt ab Mitternacht eine Schutzzone rund um das Haus an der Keplerstraße 7, den Kinderspielplatz und den Sportplatz. Die Polizei kann nun Personen, die sie im Umkreis von 150 Metern rund um diese Orte als verdächtig einstuft, kontrollieren und gegebenenfalls wegweisen. Wer sich danach trotzdem hier aufhält, muss mit Geldstrafen rechnen.  

Vielleicht erinnern Sie sich, meine Kollegin Katharina Kropshofer und ich waren vor wenigen Wochen bereits am Keplerplatz unterwegs. Drogenhandel, Schlägereien, massives Polizeiaufgebot, diese Schlagworte dominierten die Berichterstattung rund um den Platz. Wie schlimm ist die Situation am Keplerplatz wirklich, haben wir uns gefragt. Wir haben mit Anwohner:innen, Geschäftsleuten, Sozialarbeiter:innen vor Ort gesprochen. Heraus kam: Ja, Menschen nehmen hier auch Drogen. Und nein, Sozialarbeiter:innen sagen, dass es hier nicht gefährlicher ist als anderswo. Aber es gäbe vor Ort auch Probleme. 

Schutzzonen sollen Minderjährige schützen. Sie verdrängen aber auch Suchtmittelabhängige von öffentlichen Orten. Was im Fall Keplerplatz der Plan ist. Zuletzt habe es trotz ständiger Polizeipräsenz vermehrt Beschwerden von Anwohner:innen am Keplerplatz gegeben, so die Polizei Wien und der Bürgermeister Michael Ludwig bei Ankündigung der Schutzzone. Vor allem Cannabis hat die Polizei bei Kontrollen, die sie seit Anfang des Jahres verstärkt am Keplerplatz durchführt, gefunden. Das Problem ist aber, der Suchtmittelhandel und -konsum wird aufgrund der Schutzzone nicht zurückgehen, nur verdrängt. Die Zone hilft an der Oberfläche, im sichtbaren Bereich, aber nicht im Kern. 

Ein Beispiel aus Graz zeigt, dass die Schutzzone rund um den Grazer Stadtpark zwar für mehr Sicherheitsgefühl der Bevölkerung gesorgt hat und die Drogendelikte im Park massiv zurückgegangen sind. Der Drogenhandel und -konsum hat sich aber nur verlagert, in Nebenstraßen und Privatwohnungen. Gerade in Privatwohnungen sind Menschen dann nicht mehr erreichbar für Sozialarbeiter:innen. Die Schutzzone im Grazer Stadtpark galt von März 2019 bis September 2021. 

Vertreiben ist keine Lösung, sagt auch der ehemalige Sozialarbeiter Ali Gedik am Telefon Samstagnachmittag. So schiebt man Probleme nur hundert Meter weiter, in den nächsten Park, in die nächste U-Bahnstation. Natürlich braucht es Kontrollen und Maßnahmen der Polizei gegen Drogenhandel am Keplerplatz, Anwohner:innen sollen sich sicher fühlen, so Gedik. Was hier aber tatsächlich helfen kann, sind mehr Sozialarbeiter:innen vor Ort. Auch die Wiener Sucht- und Drogenkoordination bestätigt, dass die Mehrheit der Wiener:innen die Strategie “Therapie statt Strafe” befürwortet, um Suchtkranke nicht noch weiter an den sozialen Rand zu drängen.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) will den Platz mit öffentlichen Veranstaltungen beleben. Sechs Monate gilt die Schutzzone vorerst, wie sich die Situation durch sie entwickelt, mal sehen. Wir bleiben dran. Wer sich heute selbst ein Bild vom Keplerplatz machen will, findet übrigens keine Hinweise auf die Schutzzone mehr. Seit heut Vormittag sind die meisten Zettel der Polizei verschwunden.

Schönen Sonntag, 

Ihre Daniela Krenn

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