"Buben-Urlaub" und "rotes Zeckenparadies ORF" - FALTER.maily #940

Barbara Tóth
Versendet am 03.11.2022

Dank Ibiza liegen Österreichs Öffentlichkeit Tausende Chatnachrichten vor, die uns intime Einblicke in das Innenleben des polit-medialen Komplexes geben, die wir vielleicht gar nicht hätten haben wollen. Aber nun gibt es kein Zurück mehr, auch nicht für eine Handvoll Medienmacher, die mit dem Ober-Chatschreiber Thomas Schmid korrespondierten.

Einer davon ist Presse-Chefredakteur, Herausgeber und Co-Geschäftsführer Rainer Nowak, dem die ermittelnde Staatsanwaltschaft einen eigenen "Auswertungsbericht" widmet. Nach einer anonymen Anzeige stand der Anfangsverdacht im Raum, dass Nowak für sich und seine Lebensgefährtin, die Managerin Valerie Hackl, bei Sebastian Kurz & Co interveniert hätte.

Nowak wäre angeblich gerne ORF-Generaldirektor geworden, Hackl sollte einen Chefinnen-Posten in einem staatsnahen Unternehmen bekommen. Vorweg: Die Vorwürfe erhärteten sich nicht, die Staatsanwaltschaft hat die Sache laut Nowaks Anwalt schon zurückgelegt. Nicht Nowak, sondern Roland Weissmann wurde 2021 bekanntlich ORF-Chef.

Aber wie wir wissen, geht es bei der Chat-Exegese nicht nur darum, was von den Ankündigungen, Absprachen und Prahlereien tatsächlich eintrat, sondern auch darum, welches milieuspezifische Sittenbild sie abgeben. Und das ist einmal mehr gruselig.

Die Korrespondenzen zwischen Nowak und Schmid lesen sich, als wären die beiden nicht Journalist und Politiker bzw. Beamter, sondern "Best Buddies" in einem schlechten Roadmovie. "Buben-Urlaub!" frohlockt Nowak an einer Stelle, als ihm Schmid einen Ausflug auf das Weingut eines Bekannten in Aussicht stellt.

Beim Lesen des 166 Seiten starken Auswertungsberichts kommt man nicht umhin, sich zu fragen, ob das alles genauso passiert wäre, wenn statt überwiegend Buben auch Mädels in Spiel gewesen wären. Das klingt übrigens im Akt selbst auch an; er wurde von einer Staatsanwältin und einem Staatsanwalt gemeinsam verfasst.

Die Grenzen des Strafrechtes sind das eine, die Reputation der Akteure das andere. Nowak war schon zuvor schwer angeschlagen, als die erste Chat-Ladung vor einem Jahr bekannt wurde. Die Presse-Redaktion ließ die Sache intern untersuchen. Angekündigte Interventionen fanden nicht statt, aber die Optik: verheerend.

Nun lässt sich nachlesen, wie er gegenüber den türkisen "Buben" die Recherchen seiner Chefreporterin, Anna Thalhammer, konterkariert und Tipps gibt, wie man am besten antwortet, wenn kritische Fragen aus seinem Haus kommen. Da ist es wieder, das Frauenbild der Buben-Urlaubsrunde: entweder dekorativ ("eigentlich ohne Gattinnen", weist Schmid bei einer seiner Abendessenseinladungen hin), oder vermeintlich steuerbar.

Noch erschreckender ist nur, wie zwischen ÖVP und FPÖ in der damaligen Koalition über den ORF gesprochen wurde. Zur Erinnerung: Die Blauen wollten die GIS-Gebühren abschaffen und den ORF damit stark schwächen.

Betriebsräte sollten ihr Stimmrecht bei Personal-Wahlen verlieren. In einem türkis-blauen Sideletter waren die Postenbesetzungen am Küniglberg durchpaktiert. Für ORF Online sei ausgemacht, dass zuerst Gerhard Jelinek (ORF), danach Johanna Hager (Kurier) Chefredakteurin werden sollen, schreibt Herbert Kickls Kabinettschef Anfang Mai an Strache. Von Nowak als ORF-General ist nicht mehr die Rede. Er war der FPÖ suspekt, weil er "seinen Zivildienst freiwillig beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands abgeleistet hat", wie der damalige ORF-Stiftungsratsvorsitzende Norbert Steger (FPÖ) empört in einer blauen Chat-Gruppe schreibt.

Im März 2019 gratuliert Alexander Schütz - Investor und ÖVP-Spender - dem damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu dessen ORF-Politik. "Das rote Zeckenparadies geht allen auf die Nerven", schreibt Schütz an Strache. "Und die APA (Austria Presse Agentur, Anm.) gehört auch aufgeräumt!"

Das Ehepaar Schütz verwirklichte ihre Medien-Ambitionen auf andere Art. Schützes Frau Eva gründete Anfang 2021 das rechtskonservative Online-Portal Exxpress.

Hätte am 17. Mai desselben Jahres der Ibiza-Skandal die Regierung nicht zu Fall gebracht, wir hätten uns noch gewundert, was alles möglich gewesen wäre.

Ihre Barbara Tóth

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