Grönemeyer hat auch keinen Plan - FALTER.maily #1048
Morgen erscheint "Das ist los", Herbert Grönemeyers 16. Album. Ich freue mich immer, wenn der deutsche Sänger Neues ...
Ich möchte Ihnen ein bisschen was über mein ungewöhnliches Hobby erzählen. Wenn mir abends langweilig wird, scrolle ich durch die Social-Media-Accounts der aktiven und gewesenen Spitzenpolitiker der Republik. Man erfährt dort doch einigermaßen authentisch, wie sie sich sehen und inszenieren, ob sie Selbstironie besitzen und wie ihre Fans darauf reagieren. Sebastian Kurz zeigt sich als Elder Statesmen in Davos, Matthias Strolz als eingekiffter Teenager in Indien. Strache, angeblich pleite, treibt sich in Dubai rum, Islam statt daham...
Ich blieb schließlich beim Instagram-Account von Pamela Rendi-Wagner (37.000 Follower) hängen. Es gibt dort das Keksrezept ihrer Großmutter mit den Worten "Kekse backen ist, wie alles andere, leider ganz schön teuer geworden. Alleine die Butter kostet viel mehr als letztes Jahr". Und dann sieht man Rendi-Wagner in ihrem Klubbüro. Cool lehnt sie an der Wand. Dahinter sieht man schicke Designer-Büromöbel.
Ich trieb mich auch auf Herbert Kickls-Account (52.000 Follower) herum. Ich fand dort nicht nur Kickl im tarngrünen Jackerl und seine Stimmungsmache gegen Asylwerber, sondern auch dieses Foto: Herbert Kickl umarmt eine alte Frau. Er herzt sie, als ob sie seine Oma wäre. Er legt ihr beide Hände auf die Schulter. Darüber steht geschrieben, dass er es als seine Aufgabe sehe, "den Österreichern zu dienen".
Nein, keine Sorge, man soll solche Fotos nicht überbewerten, sie sind Propaganda, sonst nichts. Und doch gehen sie mir nicht aus dem Kopf. Pamela Rendi-Wagner hatte jetzt fünf Jahre Zeit, ihre Partei neu aufzubauen, sie mit Ideen und Inhalten zu fluten, die richtigen Leute an die richtigen Stellen zu setzen. Sie müsste jeden Tag mit Bildern kommunizieren, wieso die Sozialdemokratie die Partei der Stunde ist. Auf Instagram und Twitter. Stattdessen hat sie sich von Zack-Zack einen Social-Media-Manager geholt, der sich in jedem zweiten Tweet selbst lobt, den SPÖ-Account für Scharmützel benutzt, Medienleute beschimpft oder kritischen Bürgern empfiehlt, die FPÖ zu wählen.
Die lustigen Sujets der SPÖ sind leider auch nur traurig. Der ehemalige Wiener Polizeigeneral zeigte sich als graues Gespenst namens "Rote Hanni". Und die wenigen erfolgreichen Sozis kommen am Bundesparteiacccount kaum vor.
Hans Peter-Doskozil etwa, der bei den Bundessozis aufgrund seiner Intrigen unbeliebt ist, im absolut regierten Burgenland aber fast jede Woche Themen für die "einfachen Leute" setzt (billige Wohnungen, höhere Gehälter, Stipendien für Medizinstudenten im Burgenland, Energieunabhängigkeit, Ärzteversorgungszentren, Pflegemodell) hat auf der Instagram-Seite der Bundes- SPÖ offenbar überhaupt Auftrittsverbot. Auch seine Vision einer links-grün-liberalen Allianz wird dort nicht kommuniziert. Offenbar kann die Rendi-Wagner-Truppe die Doskozil-Partie nicht leiden. Und umgekehrt macht Doskozil Rendi-Wagner alles zu Fleiß.
Ich glaube so wird das nichts mit der linken Mehrheit im Land. So wird Herbert Kickl stärkste Kraft. Ich sollte statt in den Parteiaccounts lieber in diesem fantastischen Buch lesen.
Ihr Florian Klenk
Wer ist dieser Herbert Kickl, der sich anschickt, den Platz eins zu belegen? Wieso misstraut ihm der Bundespräsident und welche Visionen hat er für Österreich? Mit Nina Horaczek und Barbara Tóth habe ich in diesem Longread Kickls Karriere aufgeschrieben. In ihren dieswöchigen Kommentaren analysieren Armin Thurnher und Eva Konzett das Dilemma der Sozialdemokraten.
Kommende Woche wird der Burgtheaterschauspieler Florian Teichtmeister vor Gericht stehen. Ich habe mich derweil mit der Frage beschäftigt, wie man Verbrechen von Pädophilen verhindern kann. Vergangene Woche interviewte ich daher einen "hebephilen" Mann, der seine sexuelle Störung therapiert, um nicht Täter zu werden. Das Gespräch mit dem Mann lesen Sie hier. Mit Miriam Hübl habe ich den Fall Teichtmeister in diesem Video zusammengefasst.
Der Film Corsage wurde nicht für den Oscar nominiert, dafür darf sich ein anderer Streifen Hoffnungen machen: Nawalny, der Dokumentarfilm über jenen Kreml-Kritiker, den Putin vergiften wollte. Was viele nicht wissen: Jener Journalist, der Nawalnys Mörder aufspürte und Putins Verbrechen in der Ukraine dokumentiert, lebt in Wien. Martin Staudinger hat Christo Grozev getroffen und ein Porträt über einen der wohl besten investigativen Journalisten verfasst. Sie finden es hier.
Die Semesterferien heißen auch Energieferien. Weil die Kinder ohne Schule so viel Energie haben? Nein, weil es bei der Einführung in den 1970er-Jahren eigentlich ums Energiesparen gegangen ist. Was Kids in Wien während der Semesterferien alles unternehmen können, erfahren Sie in der Titelgeschichte unserer Kultur- und Programmbeilage. Sara Schausberger gratuliert der Performancegruppe Rabtaldirndln mit einem Porträt zum 20. Geburtstag, Nicole Scheyerer hat sich Michael Horowitz’ Fotoausstellung in der Anzenberger Gallery angesehen, und der Rest der Gang weiß Bescheid über das aktuelle Geschehen in Kino, Literatur, Theater, Musik und mehr.
Vor einigen Tagen erreichte uns dieses elektronische Brieflein des FALTER.maily-Lesers Alfred Meindlhumer:
"Es freut mich, das 1000. Maily in einer ganz besonderen Situation lesen zu dürfen. Ich sitze auf dem Besucherbankerl auf der Brücke des finnischen Frachters "Marjatta". Ich reise als einziger Passagier auf diesem mittelgroßen Frachter von Terneuzen (NL) nach Tornio (FI) am Nordende des Bottnischen Meerbusens. Wenn ich nach vorne blicke, sehe ich den Bugmast und eine Schicht Container. Und relativ ruhiges Wasser bis zum Horizont. Wir haben vor ca. 3 Stunden die Aland Inseln hinter uns gelassen. Morgen Abend werden wir das Ziel Tornio erreichen. Habe berechtigte Hoffnung, dass wir einen Eisbrecher zum "Spuren" brauchen werden. Die 9-köpfige Crew ist international (Finnen, Esten, Ukrainer und Pilipinos). Frachtschiffreisen ist etwas ganz besonderes."
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Auch diese Ausgabe ist kein Sterneverteiler und Haubenaufsetzer. Es ist ein Speise-Plan der Stadt
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