Das Geheimnis der Bohne - FALTER.maily #1005

Nina Brnada
Versendet am 01.02.2023

Ich hoffe für Sie, dass Ihr Jänner so entspannt war wie meiner. Ich habe ihn urlaubend verbracht, die eine oder andere Reise unternommen und wieder etwas Zeit in meiner eigenen Küche verbracht. Ich wollte endlich einmal probieren, Bohnensuppe selbst zuzubereiten – serbische Bohnensuppe, wie sie in Österreich etwas holzschnittartig genannt wird. Bei Weitem nicht nur in Serbien ist dieser Eintopf, wo er pasulj genannt wird, in weiten Teilen des Balkan trotz vieler regionaler Unterschiede als "grah" identifizierbar (das Wort steht für den Bohneneintopf ebenso wie für die Bohne selbst).

Bisher hatte ich einen gewissen Respekt davor, grah selbst zuzubereiten. Zu aufwendig, zu viel auf einmal und in Wahrheit zu mysteriös: Fleisch, Knochen, Einweichen, Einbrenn – das ist was für Leute ohne Küchenwaagen und nicht unbedingt für Kochbuchsklaven, wie ich es zuweilen bin.

Meine Mutter bereitet diesen zwar sehr gut zu, vermag ihr Wissen bisher aber nicht effektiv weiterzugeben. In ihrer Erzählung ist alles "ungefähr" und "ganz einfach". Da komme ich nicht mit. Ich verliere die Geduld und suche auf eigene Faust nach einem Rezept. 

Ich finde Hunderte verschiedene Varianten, kann mich jedoch nicht entscheiden und bleibe schließlich bei der Historie des grah hängen. Sie erstreckt sich über Kontinente und Jahrhunderte – hier erklärt der Weltenlauf die Suppe und die Suppe den Weltenlauf.

Balkanische Familien haben ihr rustikales comfort food (das sich aufgrund der rauen Mengen in einen Fluch verwandelt, der nach Tagen allen zum Hals raushängt) nicht etwa den Gepflogenheiten dinarischen Hirten zu verdanken, sondern dem französischen Hof des 16. Jahrhunderts.

Mit der Hochzeit von König Heinrich II. und Katharina von Medici soll alles begonnen haben, so schildert es der dalmatinische Gastroexperte Veljko Barbieri: Die Bohnen, die ursprünglich aus Amerika stammen, waren ein Geschenk des Habsburgerherrschers Karl V. an das Brautpaar und erstmals aus Spanien nach Frankreich verschickt worden, so Barbieri. Der erste folgenreiche Kontakt.

In Frankreich etablierte sich der Eintopf Cassoulet, Fleisch und Bohnen, Gemüse – bis heute die Grundmatrix der meisten traditionellen Bohnengerichte. Die Cassoulet ist, wenn man so will, die ältere Cousine des balkanischen grah. Später tauchte der Eintopf im damals mächtigen Venedig auf, als Pasta fagioli. Von dort aus gelangt er – als Pašta fažol – nach Dalmatien, das damals großteils die Venezianer beherrschten. Doch die Bohne eroberte den Balkan nicht nur vom Westen her, sondern auch vom Osten, über das Osmanische Reich, wo die Pflanze im großen Stil angebaut wurde und bis nach Persien gelangte.

Gekocht habe ich noch nichts, zumindest keine Bohnen. Ich warte noch immer auf ein wirklich überzeugendes Rezept und bin offen für Vorschläge – aber bitte nur mit genauen Angaben.

Schönen Abend

Ihre Nina Brnada


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