Aus dem Leben eines Kritikers - FALTER.maily #1045
Übermorgen erscheint die nächste Ausgabe der FALTER-Buchbeilage. Gerlinde Pölsler (Sachbuch), Kirstin Breitenfellner (Kinderbuch) und ...
Ich würde sehr gern einen Beitrag zur Personaldebatte in der SPÖ liefern. Es ist mir nicht gegeben. Ich finde alle Argumente, die für oder gegen eine Personaldebatte vorgebracht werden, nicht nur doof, sondern unpolitisch.
Nehmen wir zum Beispiel den „Schulterschluss“, der nun für die SPÖ von der SPÖ gefordert wird. Den kenne ich noch von anderen Gelegenheiten. Als zum Beispiel die EU-14 Österreich im Jahr 2000 wegen Haiders Regierungsbeteiligung mit Sanktionen zu belegen drohten (was keine gute Idee war), rief die aufgeregte bürgerliche Öffentlichkeit (also alle) nach einem Schulterschluss, und ruckzuck war Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), auf den die Krone gerade noch die Schlagzeile gedichtet hatte „Volkszorn trifft Schüssel voll“, als Fußballstar mit Prachtfoto auf dem Krone-Titelblatt.
Andere, weiter zurückliegende Beispiele, bei denen die Reihen dicht geschlossen werden sollten, übergehen wir lieber. Ich denke auch nicht, dass die Person Herbert Kickl deswegen derzeit in der FPÖ unumstritten ist, weil dort die Reihen so dicht geschlossen wären. Er hat Erfolg, weil die Partei Wahlen und Umfragen gewinnt.
Warum tut sie das? Weil sie scheinbar am besten artikuliert, was den Leuten unter den Nägeln brennt. Ich gebe zu, „Leute“ ist keine präzise politische Kategorie, aber „arbeitende Klassen“ sagt man nicht mehr so gern.
Was brennt ihnen unter den Nägeln? Dass die arbeitenden Klassen sich verlassen fühlen. Das hängt vielleicht weniger mit Personen an der Spitze einer Partei zusammen als mit dem Eindruck, den diese Partei vermittelt, aus welchen Gründen auch immer. Und dieser Eindruck besagt – allen Beteuerungen zum Trotz – offenbar, dass der SPÖ die zwei Hauptprobleme unserer Tage nicht sooo wichtig sind:
Einerseits die Deklassierung der arbeitenden Klassen, ihr Abdriften in Marginalisierung und vergleichsweise Armut. Vergleichsweise Armut nenne ich die gefühlte Armut, verglichen mit der exponentiell wachsenden Bereicherung der managenden und der kapitalbesitzenden Klassen.
Und andererseits die gefühlte Migrationsbedrohung. Gefühlte Migrationsbedrohung sage ich, um zu betonen, dass solche Gefühle nicht mit Fakten wegzubekommen sind. Und dass Migration vor allem insofern eine Drohung darstellt, als sie das Symbol eines globalen Ausgleichsprozesses darstellt. In diesem Prozess holen die arbeitenden Klassen und die Mittelklassen der in der Globalisierung benachteiligten Länder nun auf, auf „unsere“ Kosten. Aber von den drei erwähnten hiesigen Klassen zahlen sicher nicht die managende und die besitzende den Preis dafür, sondern – genau.
Identitätspolitik ist gewiss notwendig, aber sie sollte diese Grundfragen nicht übertünchen; oder nicht den Eindruck entstehen lassen, das wäre beabsichtigt. Die Intensität der Aufregung über einen – pardon – Waldhäusl-Verbalfurz ist ok. Sie sollte aber von Intensität und Glaubwürdigkeit der Empörung über Ausbeutung und Deklassierung in den Schatten gestellt werden. Dann bedürfte es möglicherweise keiner Führungsdebatte.
Abgesehen davon: Debatten sollte man immer führen. Sie abzusagen, zu vertagen oder für unangebracht zu erklären, hat meist den gegenteiligen Effekt. Ich korrigiere deshalb „unpolitisch“ auf „antipolitisch“.
Und wünsche Ihnen trotzdem eine schöne Woche.
Ihr Armin Thurnher
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