It's the bribery, stupid! - FALTER.maily #1055
Ich würde meinen, wir müssen die Geschichte über Sebastian Kurz fabelhaften Aufstieg zum ÖVP-Chef und Kanzler grundsätzlich ...
Ich wende mich heute in meiner Eigenschaft als FALTER-Vogerl-Wart (FaVoWa) an Sie. Wie vielleicht nicht alle Leser:innen wissen, bin ich im FALTER nicht nur für Literatur und Jazz, sondern auch für die Vogelwelt zuständig. Ich betrachte diese, das muss ich vorausschicken, von der Warte eines interessierten Laien und nicht der eines professionellen Birdwatchers oder gar Ornithologen aus. Mein Ansatz entspricht dabei etwa jenem der Cloud Appreciation Society, der ich seit vielen Jahren angehöre (Mitglied Nr. 13.220). Auf meiner Urkunde steht, dass Klaus Nüchtern „will henceforth seek to persuade all who'll listen of the wonder and beauty of clouds".
Ich finde dieses „all who'll listen" gut: Man muss niemand überzeugen oder bekehren, aber jene, die zuhören wollen, kann man eventuell auf Schönes und Wunderbares aufmerksam machen. Das versuche ich – um endlich zum Anlass meines heutigen Mailys zu kommen – seit zwei Jahren im FALTER.morgen, wo ich jeden Dienstag einen „Vogel der Woche" vorstelle und mich zuletzt um die Tafelente gekümmert habe (man muss immer ganz nach unten scrollen, um zum VdW zu kommen). Es sind größtenteils „Allerweltsvögel" à la Amsel*, Drossel, Fink und Star, aber für den morgigen Morgen habe ich mir, so viel sei verraten, einen ziemlich spektakulären Vogel ausgesucht.
Das Prinzip, auf dem diese Kolumne basiert, sieht vor, dass der jeweilige Vogel a) zur Zeit tatsächlich bei uns zu sehen ist (ich kann im Februar also keine Mauersegler, Bienenfresser oder Schwarzstörche präsentieren), dass ich diesen b) selbst gesehen und c) als Beleg dafür ein halbwegs brauchbares Foto geschossen habe. Im Idealfall berichte ich von einer rezenten Begegnung, mitunter muss ich aber auch auf mein Fotoarchiv zurückgreifen (das morgen erscheinende Foto stammt übrigens aus dem August 2020 und wurde bei Haslau an der Donau geknipst – da kommen also ziemlich viele Arten in Frage).
Vergangene Woche habe ich an zwei Tagen, während der Trottelwind kurz einmal aufs Blasen vergessen hat, jeweils einen kleinen Ausflug unternommen. Beide kann ich sehr empfehlen, auch Menschen, die sich nicht für Vögel interessieren (obwohl es schon hilft, wenn man ein bisschen was für die übrig hat). Für das kleine Zeitbudget geeignet ist der Spaziergang entlang des renaturierten Liesingbaches zwischen Rodauner Brücke und Kollegium Kalksburg. Dort sorgt neuerdings nicht nur der Biber für Aufregung und Streit unter Biberfreund:innen und -skeptiker:innen, man begegnet dort zum Beispiel auch Mandarinenten, die zu den so genannten Gefangenschaftsflüchtlingen zählen, Reihern, Gebirgsstelzen, diversen Spechten und, mit ein bisschen Glück, auch Eisvögeln.
Der Ausflug für das Halbtagesbudget führt mich in die March-Thaya-Auen, wo ich für gewöhnlich mit dem Zug nach Hohenau fahre und von dort nach Bernhardsthal radle (oder umgekehrt). Sowohl die Distanzen zwischen den einzelnen Bahnhöfen als auch die Intervalle der Züge sind so bemessen, dass man getrost drauflosradeln und sich recht spontan für eine etwaige Verlängerung oder Abkürzung des Ausflugs entscheiden kann. Nur eines gebe ich in Sachen Verpflegungslogistik zu bedenken: Der ADEG in Bernhardsthal (neben dem Lagerhaus) macht spanische Mittagspausen (12 – 16 Uhr) und hat am Mittwochnachmittag überhaupt geschlossen (und das Rendering auf der Webpage ist eine groteske Fiktion).
Ich unterlasse es an dieser Stelle, alle Begegnungen aufzuzählen, von denen ich als VaFoWa berichten könnte (und die beste hebe ich mir ohnedies für den übernächsten VdW auf). Stattdessen möchte ich meiner generellen Verzücktheit Ausdruck verleihen – darüber nämlich, dass sich der Frühling ganz unabhängig von der aktuellen Wetterlage akustisch bereits sehr bemerkbar macht, und von einem „Silent Spring", wie ihn die US-Biologin Rachel Carson 1962 in ihrem ebenso betitelten, für die Ökologiebewegung richtungsweisenden Buch ausgemalt hat, keine Rede sein kann.
Damit möchte ich keineswegs „Entwarnung" geben und insinuieren, dass die Berichte über Artensterben und abnehmende Biodiversität nur hysterische Horrorstories wären (ganz im Gegenteil). Ich möchte aber doch ein bisschen gute Stimmung verbreiten und allen, die es hören wollen, mit Friedrich Hölderlin zurufen: „Komm! ins Offene, Freund!", denn dort spielt es sich gerade unglaublich ab, und nichts verfehlt das derzeitige Geschehen so sehr wie Hölderlins Befund „leer ruht von Gesange die Luft".
Ganz im Gegenteil! Alle legen sich gerade mächtig ins Zeug, und es ist der richtige Moment, Vogelbeobachtung mit geschlossenen Augen zu trainieren. Gerade für Anfänger ist es freilich wichtig, überschießende Ambitionen zu drosseln und nicht gleich alle Vögel akustisch identifizieren zu wollen. Suchen Sie sich lieber einmal einen aus: zum Beispiel das Rothkehlchen mit seinem silbrig kaskadierenden Gesang, einem wahren akustischen Dopamin-Flash. Und wenn Sie’s knarzeln, knuspern, knirschen, fiepen, pfeifen und glissandieren hören, dann sind das mit allergrößter Wahrscheinlichkeit die Elektroniker unserer Felder, Fluren und Gärten, die Stare, die soeben aus ihren Winterquartieren im Süden zurückgekehrt sind.
*Wie immer soll auch hier der oberschlaue Hinweis nicht fehlen, dass die Amsel selbst der Familie der Drosseln angehört und auch Schwarzdrossel genannt wird.
Ihr Klaus Nüchtern
Es ist nicht die unnobelste Aufgabe von Kritiker:innen, ihre Mitmenschen davor zu bewahren, Zeit mit dem Lesen schlechter Bücher oder dem Ansehen schlechter Filme zu verplempern. Cate Blanchett finde ich natürlich cool, aber schon nachdem ich die Vorschau von „Tár" gesehen hatte, habe ich mir gedacht: „Na, ich weiß nicht. Das sieht doch stark nach prätentiösem Artsy-Fartsy-Kino aus." Und siehe da: Michael Omasta sieht das offenbar ganz ähnlich und hat das in seinem beherzten Verriss im aktuellen FALTER sehr nachvollziehbar begründet. Wieder 158 Minuten eingespart!
Ich sitze gerade an der FALTER-Literaturbeilage, die am 15. März tun wird, was die FALTER-Literaturbeilage zu tun hat: dem FALTER beiliegen nämlich. Darin wird es einen Schwerpunkt zur heimischen Literatur geben, denn Österreich ist ja Gastland bei der Buchmesse in Leipzig. Außerdem werde ich verraten, warum ich nach dem großartigen Debüt „Shuggy Bain", mit dem Douglas Stuart 2020 den Booker Prize gewonnen hat – ein ausführliches Feature dazu können Sie hier nachlesen –, auch dessen jüngsten Roman „Young Mungo" ziemlich super finde.
„Ah know she thinks ah'm a terrible mother. She doesnae miss a trick to remind me she could raise ye better herself. The judgy prig-faced wee cow." So liest sich das, wenn Stuarts Protagonisten sprechen (in diesem Falle ätzt die Mutter von „Young Mungo", eine schwere Alkoholikerin, über ihre Tochter ab). Wer, so wie ich, dem ruppigen Charme des Glaswegian etwas abgewinnen kann, sollte das Buch unbedingt im englischen Original lesen – you’ll get the knack!
Ich habe eine kindliche Freude an Menschen, die jemand nachmachen oder parodieren können. Der junge Mann hier, beherrscht das ziemlich gut. Hoffentlich hat er sich nachher den Mund mit Seife ausgewaschen: Beware, explicit language! You may feel offended.
Verstecktes Wien
Die Wiener Durchhäuser stellen sowohl eine historische wie auch architektonische Besonderheit dar, sind vielfach mit romantischen Innenhöfen versehen und werden von den Bewohnern gerne als Schleichwege und Abkürzungen genutzt. Zusammen mit charmanten versteckten Hinterhöfen und kleinen, stillen Gassln bilden sie geheime Pfade zu diesen versteckten Juwelen Wiens.
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