Fragen an eine Mutter - FALTER.maily #1029

Daniela Krenn
Versendet am 01.03.2023

Eine Bekannte von mir wird bald Mama. Das klingt jetzt vielleicht nicht aufregend für Sie, ist es in dem Fall aber doch. Warum? Weil sie mit einer Frau verheiratet und nicht die biologische Mutter des Kindes ist. Deswegen kommen mit der Babyverkündung zwar viele wunderschöne Reaktionen, aber es tauchen auch viele Fragen auf. Manche sind, so sagt sie, absurd, einige lustig, viele jedoch grenzüberschreitend. Das verletzt. Vor allem aber zeigt es, wie wenig normal diverse Familienbilder in unserer Gesellschaft sind.  

Also hat sich meine Bekannte die Mühe gemacht und Antworten auf die häufigsten Fragen, die ihr gestellt wurden, gegeben (und diese werden hier im Originalton wortwörtlich zitiert):

  • Nein, ich werde nicht Vater. Meine Pronomen sind sie/ihr und ich muss kein Kind gebären, um rechtlich/sozial/emotional Mutter zu werden. Frauen, die ihr Kind adoptiert haben, würdest du auch nicht fragen, ob sie Vater werden. Unser Kind wird zwei Mütter haben und keinen Vater. Willkommen im neuen Jahrtausend.

  • Ja, wir haben einen anonymen Spender und nein, ich verrate dir seine Schuhgröße nicht. Er ist anonym und ganz besonders anonym ist er, ba dum tss, für dich! (Bei solchen Fragen stelle ich mir ja immer vor, dass du beim Anblick der Füße meines Kindes laut rufst: „AAAAHA! Ich habe es gewusst! Der Spender hat Schuhgröße 52 und deshalb sind diese Füße RIESIG AAAAHA! Jetzt ist mir alles klar!“) Du wirst seine Schuhgröße nie erfahren, gönnen wir ihm doch ein wenig Privatsphäre

  • Nein. Kein Katalog. Es gibt keinen Katalog, ok?

  • Nein. Frag mich einfach nicht, ob ich nicht auch einmal eine „echte“ Mutter werden will. „Also du weißt schon, halt mit schwanger und so…“ Tu es einfach nicht, tu es bei niemandem. Frage einfach nicht, ob die Person Eltern werden will. Und frage nicht, wann. Es geht dich einfach nichts an.

  • Mach dir keine Sorgen darüber, wann/wie/wo unser Kind erfährt, dass es zwei Mütter und keinen Vater hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass unserem Kind diese Tatsache sehr früh auffallen wird, ui, eventuell sogar früher als dir

  • Mach dir ganz generell einfach keine Sorgen um womöglich fehlende Vorbilder, um andere fiese Kinder, um die böse Welt, um was weiß ich alles. Unser Kind wird in ein fantastisches Umfeld geboren, das so viel Wunderbares geben kann und wird. Sorg du mal lieber dafür, dass dein Kind nicht fies und die Welt weniger böse wird. Sei ein Vorbild. Das geht uns alle an. 

  • Wie wir entschieden haben, wer von uns… also du weißt schon… Wers bekommt? Ok passt auf, es geht dich zwar nichts an aaaaber stell dir folgende Situation vor: Wir haben Efeu, Frauenmantel, den Milchzahn eines 7-Jährigen, Hafermilch und eine Prise Muskat aufgekocht, jeweils einen Schluck getrunken und wer zuerst gekotzt hat, kam nicht zum Zug. Wer das nämlich nicht aushält… 

  • Nein, ich adoptiere nicht. Mein Kind war bereits Wochen vor der Zeugung rechtlich betrachtet mein Kind, das funktioniert mittlerweile einfach via Notariatsakt. Warum ich ruppig reagiere? Du nervst! Mir doch egal ob du hetero bist, lies halt mal Gesetz, es ist auch ein Heterogesetz, Mensch Meier echt jetzt, irgendwie müssen die 90% Heteropaare in der Kinderwunschklinik ja auch zu ihrem Recht kommen, ok? 

Jetzt ist Fragen zu haben ein ziemlicher menschlicher Zug, jede Person ist neugierig. Und so manch eine Frage wäre mit ein bisschen Feingefühl vielleicht gar nicht verletzend gewesen.

Meine Bekannte hätte sich aber gewünscht, dass sich so manch Fragesteller vorab einfach mal selbst Fragen gestellt hätte. Zum Beispiel: Formuliere ich die Frage gerade so, dass meine Intention klar ist? Würde ich die Frage selbst gern gestellt bekommen, wenn ich eine nahende Elternschaft verkünde? Kenne ich den Menschen gut genug, um diese Frage zu stellen?

Denn natürlich gibt es Fragen, die nicht wehtun, weder beim Stellen, noch beim Gestellt-bekommen. Eine davon ist beispielsweise: Wie geht’s dir damit? Das geht eigentlich immer. 

Einen schönen Start in den März wünsche ich Ihnen, 

Ihre Daniela Krenn

PS: Im ersten Versandlauf war das Maily mitten im Inhalt abgeschnitten - nun sollte der ganze Text richtig angekommen sein. Bitte entschuldigen Sie die technischen Probleme!


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