Der Fall Eva Dichand und die Würdelosigkeit der SPÖ - FALTER.maily #1054
ich möchte sie in diesem Maily in aller Kürze über zwei Angelegenheiten in diesem Land informieren, die mich heute beschäftigten ...
Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie sich der Internationale Frauentag für die SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner (PRW) heute angefühlt haben muss. Es ist ja nicht zu übersehen, dass in der Auseinandersetzung zwischen ihr und dem burgenländischen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (HPD) Geschlecht und Gender eine Rolle spielen.
Man könnte diesen Konflikt sogar überhaupt als Geschlechterkonflikt lesen, stehen sich mit PRW und HPD doch zwei Gender-Archetypen gegenüber.
Hier der machoid auftretende HPD, ehemaliger Polizist, machtbewusst, polternd, gleichzeitig sich nie wirklich aus der Deckung wagend, ein Meister des Querschusses und der Intrige. Auch körperlich ist HPD ein groß gewachsener, stattlicher Mann, der Inbegriff eines echten Kerls. Das lässt gerne vergessen, dass er nur knapp 300.000 Burgenländerinnen und Burgenländer repräsentiert, was so viel ist wie die Wiener Bezirke Simmering und Favoriten gemeinsam.
Dort die meist zurückhaltend und sachlich argumentierende PRW, Ärztin, Wissenschaftlerin, vom Aussehen her eine zierliche, aparte Person. Ihre Gefühle zeigt sie immer nur dann, wenn es ihr Mal wieder zu viel wird. Sie nimmt dann paradoxerweise gerne Platz im ZiB2-Studio bei Armin Wolf, so wie vergangenen Montag (das sehenswerte Gespräch können Sie hier nachschauen).
Ich persönlich finde PRW in solchen Momenten ja am überzeugendsten, vielleicht, weil sie die vorbereiteten Formulierungen zur Seite stellt, die ihr Medientrainerinnen mitgegeben haben und aus der Situation heraus argumentiert (ich hätte auch schreiben können aus dem Bauch heraus, aber das wäre klischeehaft weiblich).
Aber so wie im Alltagsleben gibt es auch in der Politik Rollenerwartungen an Männer und Frauen. Ex-Kanzler Sebastian Kurz gab in der Pandemie den patriarchalen, gütigen Vater, der uns mal Angst machte, dann zur Vorsicht mahnte und dann gönnerhaft mehr Freiheiten gestattete.
Spitzenpolitikerinnen wird oft etwas Mütterliches zugeschrieben, denken wir nur an Johanna Mikl-Leitners Selbstinszenierung im niederösterreichischen Wahlkampf. Oder sie werden als "Trümmerfrau" oder "Kronprinzessin" eingeordnet, je nachdem, ob sie aufsteigen, weil mal wieder eine Reihe von Männern vor ihnen versagt haben (Theresa May) oder ein älterer Kollege sie als Nachfolgerin holt (Eva Glawischnig). Hier habe ich einmal zehn Spielarten der weiblichen Macht mit Beispielen genauer beschrieben.
Je länger Pamela Rendi-Wagner an der Spitze der SPÖ aushält, desto mehr erinnert sie mich an den Archetyp der Veteranin, wie ihn beispielsweise die deutsche Ex-Kanzlerin Angela Merkel repräsentierte. Oder, in seiner perfekten Form, die britische Queen. Merkel musste sich gegen die Prätorianer des Andenpaktes in der CDU durchsetzen, später überstand sie mehr als eine Bubenintrige in ihre Partei.
Einfach bleiben, egal was ist, against all odds. Das Immer-noch-da-Sein wird zu einer Qualität an sich. Alleine dieses Durchhaltevermögen ringt einem irgendwann einmal Respekt ab, auch wenn es noch nichts darüber aussagt, ob währenddessen gute Politik entsteht oder die eigene Partei davon profitiert.
Ihre Barbara Tóth
Ich möchte Ihnen zum Frauentag unbedingt noch dieses Protokoll empfehlen, das ich mit der ehemaligen islamischen Religionslehrerin Zeliha Cicek geführt habe. Sie gehörte zur Elite der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ). Dann legte sie ihr Kopftuch ab. Dafür wurde sie diskriminiert und bedroht. Jetzt kämpft sie vor Gericht um ihr Recht. Dem FALTER hat sie erstmals unter vollem Namen ihre Geschichte erzählt – und legt damit ein System der Scheinheiligkeit offen. Wenn Sie zehn Minuten haben, lesen sie ihre Lebensgeschichte und machen sie allen Frauen, denen es ähnlich geht – ob mit oder ohne Kopftuch – Mut.
Dieses Buch hat mich sehr geprägt, als ich Mutter wurde - und ich kann es jeder und jedem empfehlen, ob mit oder ohne Brut: Barbara Vinkens Klassiker "Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos". Darin beschreibt sie, wie sich das Mutterbild seit der Reformation gewandelt hat - und wie altbacken es gerade im deutschsprachigen Raum, vor allem im Bildungsbürgertum, geblieben ist. Zu bestellen hier.
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