Nie mehr Schule - FALTER.maily #1103
Ich schreibe Ihnen diese Zeilen aus meinem Kärntner Jugendzimmer. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich heute wie damals nichts als Wälder ...
Der österreichische Politikwissenschaftler Walter Manoschek ist ein Kapazunder im Bereich der Holocaust-Forschung. Seine Arbeit zur Verfolgung der Juden am Balkan gehört zu den Standardwerken auf diesem Gebiet.
Die Arbeit des mittlerweile emeritierten Professor der Universität Wien ist seit mehr als einem Jahr aber auch immer wieder Gegenstand kritischer Kontroversen am Balkan – genauer in Bosnien und Herzegowina. Damit gerät auch die Universität Wien, sein ehemaliger Arbeitgeber, in die Kritik.
Dabei geht es nicht etwa um Manoscheks Holocaust-Forschung, sondern um seine Positionen zu einem anderen Genozid – jenem von Srebrenica. Manoschek wird vorgeworfen, diesen zu leugnen – der Universität Wien wiederum, sich nicht ausreichend von ihrem früheren Hochschullehrer zu distanzieren.
Srebrenica ist eine Kleinstadt im Osten Bosnien und Herzegowinas, binnen weniger Tage im Juli 1995 wurden dort mehr als 8.000 vorwiegend muslimische Bosniaken, Buben und Männer, von serbischen Truppen ermordet und in Massengräbern verscharrt. 2007 hatte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag das Massaker als Genozid eingestuft. Mittlerweile ist dessen Leugnung in Bosnien und Herzegowina unter Strafe gestellt. Genau dies tut aber ein 2021 erschienener Bericht, an dem Walter Manoschek mitgeschrieben hat. Es handelt sich dabei um ein Auftragswerk der bosnisch-serbischen Republika Srpska, zu deren vermeintlicher Staatsräson die Leugnung dieses Genozids gehört.
Walter Manoschek selbst sagt auf FALTER-Anfrage, die Bezeichnung Genozid sei für Srebrenica schon möglich – vorausgesetzt, man dehnt den Begriff extrem aus. Die offiziellen Opferzahlen seien zweifelhaft, sagt Manoschek und behauptet: 4.000 bis 5.000 bosniakische Soldaten seien in den Kämpfen umgekommen, weitere 1.500 bis 3.000 bosniakische Kriegsgefangene von Mitgliedern der bosnisch-serbischen Armee in Massenexekutionen ermordet worden. "Hingegen trifft das jahrzehntelang kolportierte Narrativ, dass die bosnisch-serbische Armee in den Kämpfen um Srebrenica etwa 8000 Zivilisten ermordet hätte, nicht zu."
Wer Zivilisten und wer Soldaten waren, ließ sich in dieser Situation nicht genau trennen, sagt Florian Bieber, Politikwissenschaftler an der Universität Graz und ausgewiesener Balkankenner. Schließlich war Srebrenica eine Enklave, die Trennlinie zwischen Soldaten und Zivilisten war verschwommen, "da haben sich alle verteidigt. Zu sagen, die Opfer seien quasi legitime Ziele gewesen, weil sie Soldaten waren, ist nicht zulässig," sagt Bieber. "Vor allem, weil die meisten Opfer erst nach dem Ende der Kampfhandlungen ermordet wurden."
Manoschek jedenfalls sagt, er habe immer schon Zweifel am "Srebrenica-Narrativ" gehabt. Dass Manoschek mit diesen Positionen seinen exzellenten Ruf riskiert, ist ihm sehr wohl bewusst: Schließlich sei "95 Prozent der Weltöffentlichkeit anderer Meinung", so der Professor. "Meine Aufgabe als Wissenschaftler ist es aber, mich der Wahrheit anzunähern." Seine Autorenschaft am umstrittenen Bericht, sagt Manoschek, sei an zwei Bedingungen geknüpft gewesen – einerseits die Garantie seitens der Auftraggeber unabhängig arbeiten zu können und andererseits die Garantie, jegliches Ergebnis zu akzeptieren. Und all dies sei eingehalten worden.
Manoschek sieht sich als Ziel eines "organisierten Rufmords". Doch Kritik am Bericht kam nicht nur von bosniakischer Seite. Auch Menachem Z. Rosensaft, stellvertretender Geschäftsführer des Jüdischen Weltkongresses, beanstandete, dass es sich beim Bericht um die Einschätzung einer "selbsternannten "unabhängigen" internationalen Untersuchungskommission" handle, "die auf Initiative eines separatistischen, den Völkermord leugnenden Führers der bosnischen Serben ernannt wurde". Der Report sei eine "Peinlichkeit für die Wissenschaft."
In Deutschland jedenfalls hatte dieser bereits weitreichende Folge: Der israelische Holocaustforscher Gideon Greif hätte mit dem Bundesverdienstkreuz durch Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ausgezeichnet werden sollen – die Sache wurde aber abgeblasen, denn Greif war Kommissionsvorsitzender des strittigen Berichts.
Zurück zu Walter Manoschek und zur Universität Wien: Spätestens am 24. September 2021 erfuhr die Universität Wien, Walter Manoscheks damaliger Arbeitgeber, dass dieser an dem fragwürdigen Bericht beteiligt war. An diesem Tag hatte Esad Širbegović, ein bosnischstämmiges Mitglied des Institute For Research of Genocide Canada (IGC), eine Mail ans Rektorat abgeschickt. Erst mehr als vier Monate später, am 1. Februar 2022, kam ein knappes Schreiben: Die Gerichte hätten entschieden, dass das Massaker von Srebrenica als Genozid zu werten ist, heißt es darin: "Dieser Einschätzung schließt sich die Universität Wien an." Der Brief ist fünf Zeilen lang und enthält weder eine Anrede, noch ist er gezeichnet. Širbegović bezeichnet das als "Schande für die gesamte Universität Wien, die zeigt, wie wenig sich diese Institution der Tragweite der Genozidleugnung bewusst ist."
Politikwissenschaftler Florian Bieber bezeichnet den Bericht, an dem Walter Manoschek mitgewirkt hat, als "eindeutig unwissenschaftlich und tendenziös." Natürlich ginge es auch um Manoscheks wissenschaftliche Freiheit – genau deshalb, sagt Bieber, "wäre es seitens der Universität Wien sinnvoll gewesen zu sagen, es muss eine Auseinandersetzung, eine Art Kommission geben, die sich die wissenschaftlichen Herangehensweise dieses kontroversiellen Berichts genauer ansieht – auch um den Ruf der Universität zu schützen." Schließlich vertrete Manoschek als Angehöriger der Universität Wien seine zweifelhaften Positionen und verleihe ihnen damit auch ein gewisses Gewicht.
"Die Universität Wien teilt diese Einzelmeinung eines ihrer Mitarbeitenden nicht", heißt es von dort auf FALTER-Anfrage: "Das Massaker von Srebrenica wurde vom Internationalen Jugoslawien-Tribunal und vom Internationalen Gerichtshof als Genozid eingestuft." Und weil Manoschek, der im Ruhestand vergangenes Wintersemester noch eine Lehrveranstaltung abgehalten hat, auf seiner Position zu Srebrenica beharrt habe, werde er künftig keine weiteren Lehraufträge mehr erhalten.
Manoschek hingegen bestreitet das: "Vonseiten der Uni Wien wurde mir niemals mitgeteilt, dass ich wegen meiner Mitarbeit in der Srebrenica-Kommission keine Lehraufträge mehr erhalten würde," sagt dieser. "Das hätte einen eklatanten Eingriff in die Freiheit der Lehre bedeutet, der kaum vorstellbar ist und den ich nicht unwidersprochen gelassen und mit Sicherheit öffentlich gemacht hätte."
Esad Širbegović jedenfalls reicht weder das Schreiben der Uni Wien, noch die Tatsache, dass Manoschek wegen seiner Positionen vermeintlich sanktioniert worden ist – er fordert nach wie vor eine öffentliche Distanzierung der Universität nicht nur vom Genozid von Srebrenica, sondern auch von der Person Walter Manoschek.
Ihre Nina Brnada
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