It's the bribery, stupid! - FALTER.maily #1055

Barbara Tóth
Versendet am 31.03.2023

Ich würde meinen, wir müssen die Geschichte über Sebastian Kurz fabelhaften Aufstieg zum ÖVP-Chef und Kanzler grundsätzlich neu schreiben. Das war einfach eine mit viel Steuergeld gekaufte Rallye. Die Türkisen haben mit unfairen – und illegalen und mutmaßlich kriminellen – Mitteleinsatz gekämpft und gesiegt.

"It's the economy, stupid!". Mit diesem Wahlkampf-Slogan gewann Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen. Für Sebastian Kurz war der informelle Wahlkampf-Slogan "It's the bribery, stupid!". Es wurde laut WKStA geschmiert, wo es ging.

Der Kurz-Kader hat..

a) die Wahlkampfkosten über das gesetzlich erlaubte Maß um sieben Millionen Euro überzogen und..

b) die drei wichtigsten Boulevardblätter des Landes (Österreich, Krone und Heute) angefüttert, damit sie ihren Frontmann brav raufschreiben.

Die Belege und Beweise dafür sind überbordend, das..

a) ist durch das Projekt Ballhausplatz und die ÖVP-Buchhaltung-Files (beides vom FALTER aufgedeckt und inzwischen vom Rechnungshof und von Gerichten bestätigt) dokumentiert.

b) lässt sich anhand der minutiösen Recherchen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nachvollziehen. Ab 2016 hat der Kurz-Kader in der ÖVP zuerst mit dem Fellner-Blatt Österreich gepackelt, dort frisierte Umfragen lanciert und fleißig mit Steuergeld inseriert, dann - wie gestern bekannt wurde - die Familie Dichand und ihre Blätter Heute und Kronen Zeitung.

Zumindest 6,5 Millionen Euro an Inseraten wurden "ohne Begründung" freihändig vom Finanzministerium vergeben, hat die WKStA zuletzt herausgefunden. Wer da wen bestochen und erpresst haben soll, wird immer klarer.

Die Nationalratswahlen 2017 wurden von der ÖVP mithilfe von willfährigen Medienmachern manipuliert und wir, das Wahlvolk und die Steuerzahler, haben dafür bezahlt. Wir wurden mit unserem eigenen Geld betrogen. Es geht kaum schlimmer. Populistische Politik, strukturell korrumpierter Boulevard, gekaufte Öffentlichkeit: Willkommen im Österreich der Gegenwart.

Einer der Mitbeschuldigten in dieser großen türkisen Medien- und Volksmanipulation, Gerald Fleischmann, ist derzeit Kommunikationschef der ÖVP. Er war Kurz' Spin-Doktor. Ein anderer, Stefan Steiner, ebenfalls beschuldigt, berät nach Informationen des Kurier mittlerweile den Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer.

Gestern hat die türkis-grüne Regierung ein neues Medienreformpaket im Parlament eingebracht, es sieht unter anderem mehr Transparenz für Schaltungen und Inserate vor. Eh fein. Aber es kommt wieder kein "Deckel", also eine Begrenzung.

Eigentlich absurd, dass wir immer noch über "Transparenz" und "Deckel" bei Inseraten der Politik reden. Diese offensichtliche, politmediale Betrugs- und Bestechlichkeitspraxis gehört komplett abgestellt. Wenn die Regierenden uns über etwas Wichtiges informieren wollen, sollen sie das machen wie alle anderen nicht korrumpierten Regierungen Europas auch: indem sie eine Pressekonferenz machen.

Trotzdem frohe Osterferien,

Ihre Barbara Tóth


Zusammenfassung

Florian Klenk und ich haben die vergangene Nacht über dem Hausdurchsuchungsbefehl und anderen Akten verbracht. Herausgekommen ist dieser Artikel, der Ihnen einen Überblick über die Causa Dichand-Kurz geben soll.


Harte Bandagen

Drohungen von den Dichands, 6,5 Millionen Inserate "ohne Begründung" und ein immer dichter werdender Vorwurf gegen die Lebensgefährtin von Sebastian Kurz; hier versuchen wir zu erklären, wie die Dichand-Kurz-Achse im Detail funktionierte.


Wenn sie lieber lauschen...

...als lesen, können Sie sich auch diesen Podcast aufdrehen. Darin besprechen wir mit Raimund Löw, was vorgefallen ist, warum uns dann interessieren sollte und welche Konsequenzen die Causa für Kurz und Co. haben könnte.


Mehr Podcasts!

Das erwartet Sie außerdem im Wochenend-Programm des FALTER-Podcasts: Am Samstag hören Sie, wie der Kampf der französischen Gewerkschaften gegen Macrons Pensionsreform außer Kontrolle geraten ist. Und am Sonntag wird Bestseller-Autor Marc Elsberg über seinen Klimathriller "Celsius" und die Gefahr eines Klimakonfliktes referieren.


Apropos Klima

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