Das Ende des Schweigens - FALTER.maily #1058

Florian Klenk
Versendet am 04.04.2023

Am Montag durfte ich auf Puls24 an einer Diskussion mit Thomas Maurer und Anneliese Rohrer teilnehmen. Es ging um den Fall Dichand und die Inseratenaffäre. Rohrer sagte sinngemäß, sie verstehe die derzeitige Aufregung nicht ganz, denn seit Jahren wüsste man, dass "wir", – sie meinte die Medien–, von dieser systemischen Korruption wüssten. Das sei doch im Grunde ein alter Hut. Auch die Sozis hätten Medien geschmiert.

Das ist schon richtig und doch verwischt es das, was da gerade passiert. Denn erstmals bricht einer der Betroffenen dieses korrupten Spiels sein Schweigen und klagt sich selbst an. Und das ist Thomas Schmid. Dieser Mann, das muss man hier noch einmal erwähnen, war nicht irgendwer. Er war der höchste Beamte im Finanzministerium und ein Vertrauter von Sebastian Kurz. Er belastet sich selbst, Steuergeld in Millionenhöhe für das publizistische Wohlwollen der Fellners ("Österreich") und der Dichands ("Krone", "Heute") locker gemacht zu haben. Und er belastet sich, dass er dem Drängen Dichands nach einem reichenfreundlichen Stiftungsrecht nachgegeben habe. All das, um seinem Idol Kurz zu dienen.

Warum das alles heute so wichtig ist? Weil diese von Schmid offenbarte Korruption nicht nur die öffentliche Arena vergiftete, sondern auch für einen verzerrten Wahlkampf sorgte. Und weil sie den Medienmarkt massiv manipuliert. Jene Medien, die nicht die Meinung der Regierung vertraten, etwa der FALTER, bekamen kein Geld. Jene Herausgeber, die Kurz das Goderl kraulten oder dies zumindest insinuierten, erhielten Millionen und wurden so schamlos reich und abgehoben, dass sie ihren steuerfinanzierten Reichtum auch noch öffentlich zur Schau stellten.

Lassen wir Thomas Schmid vielleicht einmal persönlich zu Wort kommen, um zu hören, wie das war. Schmid in seiner Einvernahme vom September 2022 vor der WKStA:

"Die Fellners waren in ihrer Diktion völlig unverblümt und direkt und haben durchaus auch Elemente von Drohungen mit aufgenommen, indem sie beispielsweise immer wieder darauf hinwiesen, dass sie sich Schaltungen in einem gewissen Umfang erwarten, andernfalls würde es "nicht so gut ausschauen", "könnten sie auch anders" oder würden sie einen "runter schreiben". Diese Botschaften waren unmissverständlich. Gleichzeitig betonten sie aber dabei auch immer wieder, dass im Falle von Schaltungen in ihrem Sinne, wir ja dann auch "unsere Geschichten" bekommen. (...) Dr. Eva und Dr. Christoph Dichand sind ganz andere Persönlichkeiten als die Brüder Fellner, weil sie in der Art und Weise, wie sie kommunizieren, meistens freundlicher, höflicher und etwas zurückhaltender sind. Sie vermeiden ausdrückliche Drohungen, geben aber ihre Anliegen letztlich ebenso klar zu erkennen. Meiner Ansicht nach unterschied sich der Inhalt der Besprechungen eher auf Ebene der Formulierungen und ich möchte diesbezüglich ein Beispiel geben: Anfang 2017 habe ich einmal mit Dr. Eva Dichand telefoniert und sie hat mir anlässlich dieses Telefonats die lnseratenvolumina, die ÖSTERREICH bekommt und die Volumina für heute, die ihrer Ansicht nach unverhältnismäßig und zu wenig erfolgt waren, im Detail vorgerechnet und gemeint, dass diese Unverhältnismäßigkeit behoben werden sollte und "wir können auch anders".

Selbstverständlich leugnen die Fellners und die Dichands diese publizistische Schutzgelderpressung. Gut, dass sich in einigen Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schöffensenat eine für die Republik sehr wichtige Frage stellen muss: ob all das wirklich stattgefunden hat. Und wenn ja: ob die Verlegerfamilien und die Kurz-Partie jahrelang im Gefängnis landen. Wir bleiben dran.

Ihr Florian Klenk


Der Fall Dichand

In den vergangenen Tagen haben Barbara Tóth und ich ziemlich viel gelesen. Hunderte Seiten an Ermittlungsberichten, Einvernahmeprotokollen und Hausdurchsuchungsbefehlen. Unsere Coverstory zum Fall Dichand finden Sie hier. Armin Thurnher hat die Causa hier kommentiert.


Reiter + Molden

Vergangenes Jahr habe ich die erste Staffel eines Podcasts mit dem Wiener Gerichtsmediziner Christian Reiter gestartet. Mehr als 200.000 Downloads machten ihn zu einer der erfolgreichsten Sendungen des Landes. Das ist vor allem dem Wissen, dem morbiden Humor und dem erzählerischen Talent von Professor Reiter geschuldet, der spektakuläre Fälle, aber auch historische Causen untersucht hat. Und unserer Regisseurin Miriam Hübl.

Die Signation zu dem Podcast stammt vom Wienerlied-Sänger Ernst Molden. Und weil sie so süßlich und schaurig war, kam uns eine Idee. Wir fragten Molden, ob er im Auftrag des FALTER eine ganze Platte komponiert. Molden fing Feuer und legt nun die CD "Möadanumman" vor. Sie können sie exklusiv im Faltershop vorbestellen. Ein schaurig schönes Gespräch zwischen Molden und Reiter über den Wiener, den Tod und das Wienerlied finden Sie ab morgen hier zum Hören und schon heute hier zum Nachlesen. Gerhard Stöger führte mit mir das Interview.

Und was wird aus dem Podcast "Klenk+Reiter"? Diesen Freitag starten wir mit Staffel 2. Es gibt 13 neue Folgen. Nein, es ist kein True-Crime-Podcast, sondern etwas ganz anderes. Sie werden staunen. Auf falter.at/gerichtsmedizin halten wir Sie am Laufenden.


Die SPÖ und Selensky

Vergangene Woche habe ich hier gezürnt, weil 22 SPÖ-Abgeordnete der Rede von Wolodimir Selensky vor dem Nationalrat fernblieben. Warum haben die Sozialdemokraten das getan? Ich habe jeden und jede Einzelne gefragt. Die Antworten finden Sie hier. Sie sind zum Teil harmlos. Zum Teil sehr verstörend.


Cli-Fi

Die Klimafiktion boomt in der Literatur wie im Film. Doch wie erzählt man eine Krise, die zu groß ist, um sie zu begreifen? Katharina Kropshofer hat sich auf die Spuren eines wachsenden Genres begeben. Michael Pekler hat TV-Serien desselben Genres unter die Lupe genommen und Matthias Dusini hat eine Ausstellung im Wiener Weltmuseum über den Zusammenhang von Science Fiction und Imperialismus besucht.


FALTER:WOCHE

In der Osterzeit dünnt das Veranstaltungsprogramm im katholisch geprägten Österreich traditionell aus. Zumindest in Wien ist rund um die Feiertage trotzdem so einiges los. Die Titelgeschichte unserer Kultur- und Programmbeilage bietet Tipps, wie Sie die Zeit von Gründonnerstag bis Ostermontag gewinnbringend außer Haus verbringen können – von der Mondscheinwanderung bis zur Partynacht und von Konzerten zwischen Pop, Jazz und Klassik bis zum Öffis-Osterfest. Ein Kinobesuch ist natürlich auch eine Option. "Sisi & Ich" bietet sich zum Beispiel an, ein weiterer Blick auf die späten Jahre der Kaiserin. Julia Pühringer hat Sandra Hüller, eine der beiden Hauptdarstellerinnen, interviewt. Und falls es Sie in die Natur zieht: Die Fotostrecke "Leuchtkasten" macht Lust auf einen Ausflug in den Nationalpark Donau-Auen.


Podcast-Tipp

In der neuesten Folge seines Podcasts berichtet Florian Scheuba über Gottfried Küssels Hilfseinsatz bei einer FPÖ-Bordell-Schlägerei und Sebastian Kurz-Familienpolitik für die Familie Dichand. Mit dem Schriftsteller Robert Menasse spricht er über eine Einladung Johanna Mikl-Leitners, Schmerz-Befreitheit und ob die SPÖ noch zu retten ist.


Haben Sie's schon bemerkt?

Sind Ihnen vielleicht auch schon die bunten Ostereier aufgefallen, die sich derzeit auf falter.at tummeln? Das ist das alljährliche Zeichen, dass die FALTER-Osterwiese wieder aktiv ist. Noch bis zum 10.4. wartet hinter jedem Ei eine Überraschung auf Sie. Machen Sie mit!

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