Wer kümmert sich um Mario und Florian? - FALTER.maily #1065

Nina Horaczek
Versendet am 14.04.2023

Als die Mutter von Florian hörte, dass im nächsten Schuljahr alle Kinder mit Behinderung in Wien ein 11. Schuljahr bewilligt bekommen, löste das bei ihr gemischte Gefühle aus. Einerseits freue sie sich darüber, dass andere Eltern von Kindern mit Behinderung nicht das mitmachen müssen, was sie gerade erlebt. Andererseits habe sie das Gefühl, auf Kinder wie ihren Florian wird einfach vergessen.

Vergangenen Mittwoch gaben Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) und Bildungsdirektor Heinrich Himmer (SPÖ) in einem Pressegespräch bekannt, dass die Stadt im kommenden Schuljahr keine Teenager mit sonderpädagogischen Förderbedarf aus der Schule kickt.

Damit ist für 313 Familien das große Zittern vorbei. Ihre Kinder dürfen weiter lernen und sich auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben vorbereiten. Denn gerade bei jungen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung öffnet sich während der Pubertät noch ein Lernfenster. 

Florian bekam diese Chance nicht. Er ist 16 Jahre alt, Autist und ein ziemlich lebendiges Kerlchen. Seine Sonderschule mochte er gerne. Aber voriges Jahr verweigerte die Bildungsdirektion etwa hundert Kinder wie ihm ein 11. Schuljahr. Drei Tage vor Schulschluss trudelte die Ablehnung bei Florians Mutter ein. 

Mit viel Mühe fand seine Mutter über den Sommer einen Platz in einer Tagesstruktur für ihren Sohn. Das sind Einrichtungen, in denen Menschen mit Behinderung tagsüber betreut werden. Florian trägt eine Windel und braucht deshalb eine Intensivbetreuung. Doch dort, wo er unterkommen sollte, waren vor allem ältere Menschen mit Behinderung, die ihre Ruhe wollten, also nichts, was mit einem lebhaften Autisten in seinen Teenagerjahren kompatibel ist. „Das hat für Florian gar nicht gepasst, also wurde der Vertrag von der Tagesstruktur innerhalb der dreimonatigen Probezeit von einem Tag auf den anderen gekündigt“, erzählt seine Mutter.

Seit Dezember ist Florians Mutter, die eigentlich in der Pflege tätig ist, deshalb unfreiwillig arbeitslos. Denn alleine lassen kann man einen Jugendlichen wie Florian nicht. Gerade für Teenager mit intellektueller Beeinträchtigung, die nicht mehr in die Schule gehen dürfen, fehlt es an passenden Betreuungsplätzen.

Vieles, was für Eltern von gesunden Kindern normal ist, etwa einmal das Kind beim Babysitter lassen und ins Kino oder schön essen gehen, ist für Eltern von Kindern mit Behinderung unmöglich. „Mein Sohn braucht 24 Stunden Betreuung“, sagt Florians Mutter. 

Eine kurze Verschnaufpause gibt es für sie seit Dezember nur, wenn die Oma kurz vorbei schaut und auf den Enkel aufpasst. Dann kann Florians Mutter schnell einkaufen gehen. „Die Arbeit war immer mein Ausgleich“, sagt sie. Und der fehle jetzt. Aber nicht nur ihr. „Florian braucht dringend Leute um sich und ich auch.“ Seit er zu Hause sitzt, sei das Leben für Florian „immer mehr ein Dahinvegetieren“. Ihr Sohn steht zwar bei drei verschiedenen Tagesstrukturen seit Monaten auf der Warteliste, „aber keiner kann mir sagen, wann es einen Platz haben für ihn gibt“.

Auch Mario, 16 Jahre und wie Florian Autist, flog im Juni 2022 aus der Schule. Die Bildungsdirektion verweigerte ihm ein 11. Schuljahr. Seitdem sitzt er mit seiner Mutter zu Hause. Damit Mario zumindest ein bisschen weiter lernen kann und den Umgang mit anderen Menschen nicht ganz verlernt, finanzieren seine Eltern privat Therapie für ihren Sohn. Um sich das leisten zu können, und auch, damit sie selbst zumindest ein Mal in der Woche in Gesellschaft ist, arbeitet Marios Mutter jeden Samstag geringfügig als Verkäuferin. Sie habe das Gefühl, Kinder wie Mario wurden von der Gesellschaft vergessen, sagt seine Mutter. Zwar suche sie weiterhin ununterbrochen nach einer passenden Tagesstruktur, aber seit zwei Jahren ohne Erfolg. „Was ich mir wünsche würde, wäre eine Perspektive für unseren Sohn“, sagt Marios Mutter. „Wenigstens zu erfahren, ob wir noch ein paar Monate oder doch Jahre zu Hause sitzen müssen.“

Ihre Nina Horaczek


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