True Crime & KI - FALTER.maily #1102
Gestern scrollte ich ein bisschen auf meinem Smartphone und öffnete die Video-App TikTok. Das ist zwar ein extrem stressiges Unterfangen (kurz ...
Die Mariahilfer Straße ist den schönen Seiten des Lebens verschrieben. Zwischen Sneakerstellagen und Smoothiebars liegt ein Boulevard der Touristen und Konsumenten, der Familien und Flaneure. Bis gestern Nachmittag plötzlich eine Gruppe von 300 schreienden Teenagern den Wochenendfrieden stört.
Unbeholfen wie unverdrossen rufen sie politische Anliegen durch den Regen. Über Haare in allen Farben des Regenbogens halten sie ihre Schilder: „Könnt ihr uns jetzt hören?“ und „Mein Körper ist mehr als Narben.“ Wenigstens für einen Moment irritieren sie die Ströme einer Freizeitstraße.
Gestern führte die Initiative „Change for the Youth“ ihre erste Demonstration vom Westbahnhof zum Museumsquartier. Unter jenem Namen fordern psychisch kranke Jugendliche mehr medizinische Hilfe: von der Krankenkassa bezahlte Psychotherapie, mehr Stationsbetten in Psychiatrien. Denn zu viele von ihnen sind schon jung Zeuge beunruhigender Missstände geworden.
Auf der Ladefläche des Demo-Citroëns domptiert die 18-jährige Kiana. Das Mädchen mit den giftgrünen Haaren, das kämpferisch die Gesundheitspolitiker Peter Hacker (SPÖ) und Johannes Rauch (Grüne) herausfordert, hat ihre dunkelste Stunde gerade hinter sich. Am 1. März hat sie versucht, sich das Leben zu nehmen. Sie hat überlebt, mit einem gebrochenen Wirbel und diesem Ziel: „Niemandem soll es mehr so gehen wie mir.“ Mit Freunden hat sie eine Instagramseite „Change for the Youth“ eröffnet, diese Demo organisiert, sie wirkt heute wie aufgeblüht.
Kiana habe sich schon mit elf Jahren selbst verletzt, dem Loch des Homeschoolings sei sie dann nicht mehr entkommen. Sie wurde süchtig nach starken Beruhigungsmitteln, in den Tagen vor ihrem Suizidversuch habe sie zweimal in Wiener Psychiatrien ihre Lebensmüdigkeit geschildert. Doch sie sei zweimal weggeschickt worden.
In den Gesichtern der Passanten zeigt sich die Bedeutung dieser Demo: Der erste Anblick dieser geschminkten Masse ist meist mokant, bestenfalls perplex. Bis sie die Redner hören: „Es kann nicht sein, dass wir die Einzigen sind, die für uns kämpfen.“ Und die Schilder sehen: „Hört uns zu, wenn wir schreien. Das könnte auch ihr Kind sein.“ Dann wandeln sich die Minen plötzlich zum Ernsten, bezeugen Interesse.
Wirklich angekommen ist noch nicht, was die Pandemiejahre mit psychisch labilen Jugendlichen gemacht haben. Wenn Metastudien stimmen, denken 77.000 Minderjährige im Land jeden Tag an Suizid. Der Akutdienst in der Kinder und Jugendpsychiatrie des AKH hat 2019 noch 66 Jugendliche nach Suizidversuchen betreut, 2021 waren es 179. Der Strukturplan des Gesundheitsministeriums sähe mehr als doppelt so viele Kassenplätze bei Psychotherapeuten vor. Alleine in Wien sollte es 140 Stationsbetten in Kinder-und Jugendpsychiatrien geben. Nur 66 sind in Betrieb.
Am Ende der Veranstaltung finden die kleine Welt der Verzweiflung im Kinderzimmer mit der großen Welt des überforderten Gesundheitssystems zusammen. Bei sieben Grad und Wind klettert nämlich ein Mann auf die Bühne, der sich als Paul Plener vorstellt. Es ist der Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie im AKH, und wollte den Demonstrationszug etwas wissen lassen: „Ich will, dass ihr wisst, dass wir Ärzte das Problem sehen. Wir teilen dasselbe Anliegen, es muss sich viel verändern.“
Ihr Lukas Matzinger
Der Seattler Beisl-Songwriter Dean Johnson wird am 5. Mai sein allererstes Album rausbringen. Unter dem beachtlichen Schnauzbart singt der so wahnwitzig schön, dass es eine Seltenheit ist. Und vom Cello-und-Pop-Vereiner Arthur Russell sind 31 Jahre nach dem HIV-Tod noch neun unveröffentlichte Songs aufgetaucht. Die erste Single klingt auch heute nach Zukunftsmusik.
Die Choreografin und Performerin Florentina Holzinger kommt mit ihrem neuen Stück "Ophelia’s Got Talent" ins Volkstheater. Gerhard Stöger und Sara Schausberger haben mit ihr über das Matriarchat, nackte Haut, schmutzige Fantasien, die Theaterkrise und den Reiz des Extremen gesprochen.
Im FALTER-Radio hören Sie aktuell eine Debatte über den fossilen Lobbyismus des Ölzeitalters. Wie sich die fossile Industrie des Greenwashing bedient und ihre Lobbymacht einsetzt und was man dem entgegensetzen könnte, diskutierten die Kommunikationsexpertin Ariadne Neureiter, der Sozialwissenschaftler Patrick Scherhaufer und Greenpeace-Expertin Ursula Bittner im Gespräch mit FALTER-Journalistin Katharina Kropshofer.
Der Kabarettist Florian Scheuba berichtet in der aktuellen Episode von "Scheuba fragt nach…", wie bei Eva Dichand die Blattlinie "verhandelbar" und der Inseratenkunde König ist, vor allem dann, wenn er auch Kanzler ist. Mit dem Medienhistoriker Fritz Hausjell spricht er über die Verwechslung von Korruption mit Brauchtum und die Hoffnung auf berufliche Neu-Orientierung bei Medienministerin Raab.
Freiheit auf dem Rad
Nach dem ersten Band Grenzenlos Radeln 1, welcher die österreichisch-tschechische Grenze erkundet hat, führt Grenzenlos Radeln 2 nun durch die reizvollen österreichisch-slowakischen Landschaften. Ein wahres Paradies für Genussradler, Naturliebhaber und historisch Interessierte, das heute beste Voraussetzungen für einen sanften Tourismus in der Grenzregion bietet.
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