Kandidat Staatsmann - FALTER.maily #1106
Der neue SPÖ-Chef Andreas Babler hat eine große Aufgabe vor sich. Er muss als Obergenosse die Partei neu erfinden und breit aufstellen und ...
Als die WKStA gegen Sebastian Kurz zu ermitteln begann, forderte die ÖVP eine Abschaffung des politischen Weisungsrechts. Die WKStA, so die Überlegung, sollte nicht von einer "linken" Justizministerin kontrolliert werden, sondern von Richtern und Anklägern, die nichts mehr werden wollen.
Endlich, endlich, dachten sich Staatsanwälte, Richter und Anti-Korruptionsexperten. Denn das Weisungsrecht des (parteipolitisch besetzten) Justizministers war das Grundübel in der Zweiten Republik. Staatsanwälte, die gegen Politiker ermitteln, mussten nicht nur nach oben berichten, was sie vorhaben, sondern sich die Vorhaben auch genehmigen lassen. Das verzögerte die Verfahren und nahm den Anklägern den Biss.
Justizministerin Alma Zadić - letzten Sonntag übrigens zu Gast in der Pressestunde, die Fragen stellte meine Kollegin Barbara Tóth und Matthias Westhoff vom ORF - legte im Herbst einen monatelang ausgefeilten Entwurf einer entpolitisierten Weisungsspitze vor. Nicht mehr der Minister, sondern ein dem Parlament verantwortlicher Bundesstaatsanwalt sollte das Ende der Weisungskette bilden, ihm untergeordnet Senate. Zurecht nannte Zadić den Entwurf eine der größten Reformen im Justizwesen.
Die ÖVP, so hat es den Anschein, bekommt nun kalte Füße. Denn die Politik verliert den privilegierten Zugang zur Strafverfolgung und damit Herrschaftswissen. Nun schlägt die Partei offenbar einen Haken. Karoline Edtstadler fordert ein "Zitierverbot" aus Akten, also eine Einschränkung der Pressefreiheit. Warum das Unsinn ist, habe ich in diesem Twitter-Thread und vor Jahren in diesem FALTER-Essay erklärt. In Kurzfassung auch hier.
Die Öffentlichkeit hätte all die Skandale, die nach dem Ibiza-Video aufgebrochen sind, im O-Ton nicht hören und nicht lesen dürfen. Kein "Du bist die Hure für die Reichen", kein "steuerbare Weiber", kein "Kriegst eh alles, was Du willst". Keine Kronzeugenaussage hätte im O-Ton abgedruckt werden dürfen. Dieser Text wäre nie erschienen. Dieser auch nicht. Und dieser Satz schon gar nicht.
Die ÖVP weiß, dass es mit den Grünen kein Zitierverbot geben wird. Deshalb verknüpft sie es mit der Reform der Weisungsspitze und würgt damit die eigene – offenbar nie wirklich ernst gemeinte – Reformidee ab. Nebeneffekt: der vielleicht bald wieder schwarze oder blaue Justizminister bleibt oberster Staatsanwalt. Die einzige Hoffnung besteht nun darin, dass sich die Sachbearbeiter ganz unten dem politischen Wünschen ganz oben nicht mehr beugen und bei Dienstbesprechungen hoffentlich immer ein Tonband mitläuft, ganz offiziell natürlich. Wer nichts zu verbergen hat, muss sich ja auch nicht fürchten.
Eine neue Kultur des Ermittelns hat ja bereits Einzug gehalten. Die WKStA legt Sachverhalte offen, die vor wenigen Jahren noch unter der Decke geblieben wären. Sie hat Kronzeugen gewonnen und sie hat nun die ersten zwei Minister angeklagt: Sebastian Kurz (die Anklage liegt im Ministerium) und Sophie Karmasin (sie steht nächste Woche vor Gericht). Weitere Anklagen, etwa in der Inseratenaffäre, sind so gut wie sicher. Denn nicht nur der Spitzenbeamte Thomas Schmid ist geständig.
Ihr Florian Klenk
Wien wird Istanbul… und noch vieles mehr!
Das Festival Salam Orient bringt die Stadt zwischen 4. und 14. Mai an den verschiedensten Orten mit Vibes aus dem Mittleren und Nahen Osten zum Schwingen.
Das mitreißende Musikprogramm reicht von klassischen Ensembles wie Ghalia Benali & Constantinople mit „In the footsteps of Rumi“ oder Renaud Garcia-Fons‘ „The Breath of Strings“ bis hin zu Rock und Elektronik mit Yemen Blues und El Morabba3.
Programm und Tickets unter salam-orient.at
Mehrsprachigkeit von Kindern wird in Österreich primär als Problem verstanden. Auf niederösterreichischen Schulhöfen soll in Zukunft nur noch Deutsch gesprochen werden, so sieht es das schwarz-blaue Arbeitsübereinkommen vor. In Wien hat etwa jedes zweite Kind eine andere Umgangssprache als Deutsch. Dabei ist das Problem dieser Kinder oft nicht das Deutschlernen, sondern der Erhalt ihrer Erstsprachen. Nina Brnada hat für die dieswöchige Coverstory Gespräche mit fünf Eltern protokolliert, die sich für einen anderen Umgang mit Mehrsprachigkeit einsetzen.
Kay-Michael Dankl will die KPÖ in Salzburg in den Landtag führen. Ob das im konservativ geprägten Salzburg gelingen kann und mit welchen Themen die Kommunisten zu punkten versuchen, lesen Sie in Nina Horaczeks Reportage.
Wie Putin mit Propaganda und Desinformation Krieg führt und damit bis tief in die westliche Medienblase vordringt, hat der Moskau-Korrespondent der ZEIT, Michael Thumann, akribisch in seinem neuen Buch "Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat" aufgeschrieben. Im aktuellen FALTER lesen Sie ein Interview mit dem Russland-Kenner und Historiker, ab morgen ist ein Teil des Gesprächs auch im FALTER-Radio nachzuhören.
Prater, Türkenschanzpark, Volksgarten: Wien ist nicht nur eine der lebenswertesten, sie ist – so man Touristikern Glauben schenken will – auch eine der grünsten Städte der Welt. Tatsächlich können die neueren Parks nicht mit jenen anderer Metropolen mithalten. Warum sich das bald wieder ändern könnte, lesen Sie in Matthias Dusinis Essay über die städtischen Naturräume. Passend zum bevorstehenden Beginn der Flaniersaison!
Spannende Off-Spaces und vorerst noch wenig bekannte künstlerische Positionen präsentiert die große Ausstellung "Über das Neue" im Belvedere 21. Nicole Scheyerer hat sich die Schau angesehen und und für gut befunden. Warum, lesen Sie in der Titelgeschichte unserer Kultur- und Programmbeilage. Steht Dirk von Lowtzow nicht gerade als Sänger der deutschen Rockgruppe Tocotronic auf der Bühne, schlägt er sich mit denselben Problemen herum wie so viele: Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Zweifel an der Welt und sich selbst. Er hat darüber Tagebuch geführt und unter dem Titel "Ich tauche auf" veröffentlicht. Am Freitag stellt er das Buch in Wien vor, Gerhard Stöger hat den Musiker und Autor vorab dazu befragt. Und unsere Fotostrecke Leuchtkasten gewährt diesmal Einblicke ins fertig umgebaute, aber noch leerstehende Wien Museum.
In der neuen Folge von "Scheuba fragt nach.." ist SPÖ-Insider Robert Misik zu Gast. Florian Scheuba zeigt außerdem auf, wie ein bevölkerungsausgetauschter FPÖ-Bundesrat und "Moskaus nützliche Idioten" der SPÖ bei Wolfgang Fellner Asyl finden könnten. Die ganze Folge können Sie hier anhören!