Das Spiel der Spiele - FALTER.maily #1078

Lukas Matzinger
Versendet am 30.04.2023

Die Polizei riet, Blumentöpfe und Autos in Sicherheit zu bringen. Restaurants engagierten Sicherheitspersonal oder verstecken lilafarbene Dekoration. Die Rapidfans schrieben vom "wichtigsten Spiel des Jahrzehnts, vielleicht auch des nächsten", und Sturm Graz von "einem der stimmgewaltigsten Spiele, das in die Annalen der österreichischen Fußballlandschaft eingehen" wird.

Wenn Sie dieses Maily lesen, wanke ich auf einer Zuschauertribüne 320 Kilometer südwestlich von Wien – bei einem superlativgewordenen Fußballspiel im Klagenfurter Wörthersee-Stadion. Warum dieses Aufsehen ums Cupfinale des Österreichischen Fußball-Bundes, für dessen Beachtung man sonst Freikarten in Schulen verteilen musste?

Nun. Neunmal hintereinander ist Red Bull Salzburg jetzt Landesmeister geworden und hat gleich oft das Finale dieses zweiten großen Wettbewerbs besetzt, des ÖFB-Cups. Das ist total unromantisch, weil dieser Verein 2005 als Marketingtool eines Brausekonzerns keimte – zum Zwecke, mehr dieser Getränkedosen zu verkaufen. Und die großen Fußballvereine, die es seit über 100 Jahren zum Zwecke gibt, ihren Mitgliedern und Fans Freude zu bereiten, gegen den stein­reichen Stim­mungstod bald keine Chance mehr hatten.

Dann kam 2023: Heute (wenn das mit dem Einlass klappt) ab 20.30 Uhr werden die zwei Klubs mit den größten Fangruppen, dem größten Enthusiasmus, den lautesten Chören im Land um den Zwölf-Kilo-Pokal spielen. Rapid Wien, die seit 2008 keinen Titel mehr gewonnen haben, und Sturm Graz, die Red Bull im Februar aus dieser Veranstaltung verabschiedet haben.

30.000 Fans, im Norden schwarz, im Süden grün, getrennt durch den Äquator Mittellinie. Sturmfans hatten vergangene Woche ab Mitternacht vor der Stadionkassa campiert, um ab 10 Uhr vormittags die letzten Karten zu bekommen. Auf dem Online-Marktplatz Willhaben waren gute Sitzplätze für 500 Euro inseriert. Österreichs Ultras waren ausgehungert von solchen Hochämtern, trauten sich ein Leben ohne Dose gar nicht mehr zu erträumen.

Die Wiener sind vom Miniaturenpark Minimundus mit Trommeln, Bengalen und "Lebenssinn"-Maximen zum Stadion gezogen. Die Grazer haben in der Siebenhügelstraße ein Fandorf mit Kotelett und Fanartikelstand besetzt. Auch das deutsche Fußballmagazin 11Freunde hat berichtet, Überschrift "End­lich ein echtes End­spiel“. Die Fußballnostalgiker Europas schauen heute nach Klagenfurt.

Falls Sie nichts Weltbewegendes vorhaben, können Sie es ihnen ab 20:15 auf ORF1 gleichtun. Nicht wegen der hohen Spielkunst, sondern um zu erleben, wie feierlich Fußball in Österreich sein könnte.

Ihr Lukas Matzinger


Lieder aus der Fremde

Fernreisen sind teuer, Bluetoothboxen billig. Nach Japan kommen Sie einfach mit gerade neuaufgelegten Liedern der 2010 verstorbenen Psychedelic-Sängerin Shizuka. Wenn Ihnen das zu steil ist, sänge Ashnaa Sasikaran Lieder aus der Heimat ihrer Eltern, Indien. Und falls so weit auch wieder nicht wollen, hat der israelische Songwriter Eviatar Banai gerade ein Live-Album rausgebracht.


Podcast 1

Wie könnte eine neue Utopie des Sozialismus aussehen? Der Arbeitssoziologe Klaus Dörre plädiert für eine Nachhaltigkeitsrevolution, um aus der Systemkrise herauszukommen, in der der Kapitalismus angesichts der Klimaveränderungen steckt. Ein Wiener Stadtgespräch mit Barbara Tóth, aufgezeichnet und nachzuhören im FALTER Radio.


Podcast 2

Und abseits der Utopien? Kämpfen in Österreich derzeit drei Kandidat:innen um den Führungsanspruch in der SPÖ. Bis zum 10. Mai können die Mitglieder über die Parteispitze abstimmen. Wer im Dreikampf wofür steht, was die Kandidaten übereinander zu sagen haben und warum die Partei am Ende zerstrittener sein könnte als zuvor, haben Barbara Tóth und Nina Horaczek in Interviews mit Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil und Andreas Babler herausgefunden. Diese sowie Hintergründiges über alte Fehden und neue Kränkungen hören Sie in diesem Podcast.

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