Nie mehr Schule - FALTER.maily #1103
Ich schreibe Ihnen diese Zeilen aus meinem Kärntner Jugendzimmer. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich heute wie damals nichts als Wälder ...
Am Ende war es doch nur eine Videobotschaft, die FPÖ-Chef Herbert Kickl nach Budapest entsandte. "Ungarn und Österreich sind kleine Länder – umso wichtiger ist es, gegenüber den Großen unsere Interessen zu verteidigen", sagte er, vor einem Bücherregal mit Österreichflagge stehend. Der Globalismus wolle keine nationale Souveränität, so Kickl in seiner Rede, die Elite versuche den Menschen ihre Wurzeln zu rauben. "United we stand", so seine Schlussworte auf englisch. Immerhin das Motto der Konferenz.
Kickl war als prominenter Gastredner angekündigt worden – bei der Conservative Political Action Conference (CPAC), einem Netzwerktreffen der US-Republikaner. Zwei Tage lang, am 4. und 5. Mai, hielten Sprecher konservativer bis rechtsextremer Parteien aus aller Welt ihre Vorträge. Im virtuellen Raum konnte per Livestream die ganze Welt teilnehmen. Vor Ort galten aber strenge Regeln. Den meisten Journalisten blieb eine Akkreditierung des Events verwehrt, eine ungarisch-amerikanische Reporterin flog aus dem Veranstaltungssaal, nachdem sie einen Artikel für den Guardian geschrieben hatte.
Normalerweise findet die CPAC in den USA statt, zum zweiten Mal gibt es einen europäischen Ableger in Budapest. Und das hat Symbolwert: Die republikanische Partei sieht Ungarn als Vorbild, als "Disneyland der Rechten". "Ungarn ist ein Inkubator, in dem die konservative Politik der Zukunft getestet wird", verkündete Viktor Orbán bei der Eröffnung.
Neben Kickl traten etwa Janez Janša und Andrej Babiš auf, die früheren Ministerpräsidenten Sloweniens und Tschechiens, oder Eduardo Bolsonaro, Sohn des rechtsextremen brasilianischen Ex-Präsidenten. Aus Deutschland kam der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Und aus den USA natürlich – als Hosts des Events – mehrere Republikaner.
"No Woke Zone" prangte als Banner auf dem Kongresszentrum in Budapest, "No Country for woke men", versprach drinnen eine ungarische Flagge. "Der Wokismus polarisiert unsere Nation, er zensiert die Redefreiheit und er ist anti-christlich", sagte auch Paul Gosar, Mitglied des US-Repräsentantenhauses und Trump-Supporter. "Woke", das ist das große Feindbild dieser Konferenz.
"Woke" bedeutet übersetzt "erwacht" und etablierte sich als Begriff der Black Lives Matter-Bewegung. Er subsummiert politische Anliegen rund um Antidiskriminierung und LGBTQI-Rechte. Die US-amerikanische Rechte machte aus dem Label einen Kampfbegriff gegen die liberale Linke, die gerne auch zurückschießt. Die Erzählung: Ein Kulturkampf sei das Problem unserer Zeit, traditionelle Werte müssten gegen die genderverliebte Elite verteidigt werden.
Doch diese Polarisierung ist längst kein amerikanisches Phänomen mehr. Gerade die CPAC zeigt, dass der "Kampf gegen Woke" politische Akteure auf der ganzen Welt vereint. In Europa rückt das konservative Lager immer näher an den vormals rechten Rand heran. "Die Konservativen", sagte Orbán am Podium, "besetzen die großen Heiligtümer Europas." Etwa in Budapest, Warschau, Rom und Jerusalem. Auch Wien sei "nicht hoffnungslos".
Schon vor ein paar Tagen hatte Kickl im Fernsehen verkündet, er nehme sich das illiberale Ungarn zum politischen Vorbild. "Das will die Mitte der Gesellschaft, nicht die Radikalen." Gemeinsam solle man in den Kampf gehen, "gegen Globalismus und Gleichmacherei". Kommt der amerikanische Kulturkampf jetzt auch nach Österreich? Performancekünstler:innen vs. Schnitzelkaiser? Nem, köszönöm.
Ihre Lina Paulitsch
Im vergangenen Sommer reiste Viktor Orbán in die USA und war dort als Stargast bei der CPAC geladen. Welche Parallelen es zwischen den US-Republikanern und der Fidesz-Partei gibt, habe ich damals in diesem Text aufgeschrieben.
Könnte Herbert Kickl unser nächster Kanzler werden? Meine Kolleginnen und Kollegen Barbara Tóth, Nina Horaczek und Florian Klenk haben sich in diesem Longread im Jänner 2023 angesehen, wie der FPÖ-Parteichef tickt.
Mein Kollege Klaus Nüchtern hat sich die "peinliche Selbstbespiegelung" Österreichs genauer angesehen – und zwar auf der Leipziger Buchmesse, bei der Österreich heuer Gastland ist. Zum Artikel geht es hier: "Mea ois wia mia? Schau ma amoi"