Kandidat Staatsmann - FALTER.maily #1106
Der neue SPÖ-Chef Andreas Babler hat eine große Aufgabe vor sich. Er muss als Obergenosse die Partei neu erfinden und breit aufstellen und ...
Egal, wie die heute zu Ende gegangene Abstimmung unter SPÖ-Mitgliedern ausgeht. Eines steht heute schon fest: Die SPÖ hat ein Frauenproblem. Umso mehr, sollte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner das Votum verlieren. Das Endergebnis wird erst am 22. Mai vorliegen.
Denn die Partei, die sich aus ihrer Geschichte und Tradition heraus immer als emanzipatorische Bewegung verstanden hat, wird dann eine rein männliche Führungsspitze haben. Mit Hans Peter Doskozil (wahrscheinlich) oder Andreas Babler (Überraschungssieger) an der Spitze und darunter, neuerdings, neun Männern als Landesparteichefs.
Nicht viel besser schaut es auf der Ebene der Landesgeschäftsführer aus, mit einer Ausnahme: In Wien managt eine Frau die Parteiagenden. Bundesgeschäftsführer in Wien unter Rendi-Wagner ist aktuell auch noch ein Mann: Christian Deutsch. Doskozils Favorit als Nachfolger heißt Max Lercher. Nur Babler hat angekündigt, mit der roten Umweltsprecherin Julia Herr endlich wieder einer Frau in die Parteizentrale zu bringen. Im Parlamentsklub erreicht die SPÖ die 50-Prozent-Quote auch nicht. Dort sitzen aktuell 19 Frauen und 21 Männer. Klubchefin ist Rendi-Wagner, ihr Stellvertreter: ein Mann.
Die Optik ist natürlich verheerend. Wer, wenn nicht eine selbsternannt progressive Partei wie die SPÖ soll in ihren eigenen Reihen Diversität vorleben? Dass sich Vielfalt im Management eines Unternehmens – und die SPÖ als Partei ist systemisch gesehen nichts anderes als das – auch auf die Kultur, den Erfolg und letztlich die Politik, die es macht, auswirkt, ist hinlänglich bewiesen.
Umgekehrt gilt: Eine Frau in einer Spitzenfunktion garantiert nicht automatisch, dass eine Partei feministischer wird. Dafür braucht es Gleichberechtigung auf allen Ebenen. Idealerweise fördern Frauen in Top-Funktionen nachkommende Genossinnen. Das dürfte Rendi-Wagner in den knapp fünf Jahren ihrer Amtszeit jedenfalls verabsäumt haben. Abseits von ihr als Partei- und Klubchefin wird die Partei nach außen vor allem von Männern repräsentiert. Einzige Ausnahme ist Nationalratspräsidentin Doris Bures.
Aus der Diversitätsforschung wissen wir allerdings auch eines: Wenn eine Organisation unter Druck kommt, weil sie sparen muss oder weil sie, wie im Falle der SPÖ, in Opposition gehen muss, wird der Zugang zur Ressourcen knapper, die internen Machtkämpfe härter. Dann sind Frauen die ersten, die am Weg verloren gehen.
Gerade in der Politik braucht es viel soziales, unbezahltes Investment, lange Sitzungen, Abendtermine, um Karriere zu machen. Bei Kandidat:innenlisten hilft eine Frauen-Quote oder das Reißverschlusssystem, das auszugleichen. Das rote Parteimanagement kennt solche "affirmative actions" offensichtlich nicht.
Warum eigentlich, werte SPÖ?
Ihre Barbara Tóth
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