Kandidat Staatsmann - FALTER.maily #1106
Der neue SPÖ-Chef Andreas Babler hat eine große Aufgabe vor sich. Er muss als Obergenosse die Partei neu erfinden und breit aufstellen und ...
Es war Anfang Februar, als die Weltöffentlichkeit von Obritz erfuhr, einer niederösterreichischen 600-Seelen-Gemeinde nahe der tschechischen Grenze. Hier soll ein gewisser Tom Landon Frau und sechs Kinder im Keller gehalten haben. Sogleich wurden Assoziationen mit dem Fall Fritzl getriggert.
Als ich damals den Fall recherchierte, traf ich Tom Landon in der pittoresken Obritzer Kellergasse. Ein zweiter Josef Fritzl – das zeigte sich auch durch meine Recherchen – ist Tom Landon mit Sicherheit nicht. Er hatte mit seiner Familie im Weinkeller – eigentlich einem Presshaus – gewohnt, was den Argwohn einiger Anrainer hervorgerufen hatte, denn dies ist eigentlich verboten.
Als Bedienstete der Gemeinde und der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Nachschau halten wollten, attackierte Landon die Beamten mit Pfefferspray. Gestern wurde Landon deshalb vom Landesgericht Korneuburg zu zehn Monaten bedingter Haft wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt. Mit dem Urteil könnte diese obskure Geschichte als eskalierte Nachbarschaftsposse ein Ende gefunden haben, wäre da nicht die Frage: Wie geht es eigentlich seinen Kindern?
Die Polizei fand in Tom Landons Kellerröhren Luftdruckgewehre, Armbrüste und Militärkarabiner. Er ist zudem Autor von Publikationen, die beispielsweise Titel wie "Zionswerk" und "Rote Sau" tragen. Ob Landon zur Szene der Systemverweigerer gehört, sei schwer zu sagen, meinte damals Karl-Josef Weiss, zuständiger Leiter der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, "aufgrund der Verhaltensweise und Äußerungen von ihm und der Frau gegenüber den Behörden liegt der Verdacht aber nahe."
Auch wenn es um seine sechs Kinder geht – er machte sie offenbar ungefragt zu Staatsverweigerern: Bis zum Vorfall mit der Pfefferspray-Attacke des Vaters und dessen Festnahme waren sie für den Staat nicht existent. Buben und Mädchen, damals im Alter zwischen acht Monaten und sieben Jahren, für die es keine Geburtsurkunden, Sozialversicherungsnummern oder Reisepässe gab. Die Elternschaft Landons und seiner Frau musste erst mittels DNA-Test festgestellt werden.
Zwar konnten die Behörden keine Verwahrlosung bei den Kindern feststellen, sie waren wohlauf und bei bester Gesundheit. Offiziell hatten die Kinder aber nicht einmal Namen, sie lebten als U-Boote, mitten in Österreich. Keines der Kinder hatte einen Mutter-Kind-Pass, keines der Kinder ging in den Kindergarten oder in die Schule.
Und das tun sie auch jetzt nicht – zumindest nicht in Österreich. Für den kommenden Herbst sei der Schuleintritt für drei der sechs Landon-Kinder ausgemacht gewesen, sagt der zuständige Hollabrunner Bezirkshauptmann Karl-Josef Weiss auf FALTER-Nachfrage. Ebenso wie das Nachholen von Externistenprüfungen für die Zeit, in der die Kinder zu Hause unterrichtet worden waren. Doch dazu wird es wohl nicht kommen. Tom Landon hat sich wieder dem System verweigert. Er hat mit seinen Kindern das Land verlassen.
Ihre Nina Brnada
Im Februar hatte ich Tom Landon in Obritz getroffen, meine Reportage von damals lesen Sie hier.
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