Rücktritt im Auslandsdienst - FALTER.maily #1088

Lina Paulitsch
Versendet am 12.05.2023

Es dauerte nicht ganz 48 Stunden, bis das Ministerium in die Gänge kam – und zur härtesten aller Maßnahmen griff. Kein öffentliches Geld werde mehr an den Verein „Österreichischer Auslandsdienst“ fließen, sollte Andreas Maislinger weiterhin Vorsitzender bleiben. Es dauerte weitere 12 Stunden, dann trat Maislinger zurück.

Was ist passiert? Am Dienstagnachmittag veröffentlichte der FALTER eine Recherche rund um den Leiter des Auslandsdienstes. Er soll junge, teils minderjährige Gedenkdiener:innen systematisch drangsaliert haben, um seinen eigenen Willen durchzusetzen. Zu den Vorwürfen zählen Suizid- und Klagsdrohungen, die mit Tonbandaufnahmen und Schriftstücken dokumentiert sind. Mehrere der Jugendlichen leiden heute noch unter den psychischen Folgen ihrer Arbeit im Verein.

Pikant ist das vor allem deshalb, weil der Auslandsdienst als eine der prestigeträchtigsten Organisationen des Landes gilt. Junge Männer leisten ihren Zivildienst an einer Holocaust-Gedenkstätte ab. Auch Mädchen vertreten Österreich als „kleine Botschafter“ in der internationalen Aufarbeitung der NS-Zeit. Ähnliches bietet der Verein Gedenkdienst an, aus dessen Vorstand Maislinger im Jahr 1997 hinausflog.

Und heute der Paukenschlag: Maislinger erklärte in einem E-Mail an den Vorstand seinen Rücktritt. Am 18. Mai soll eine außerordentliche Generalversammlung stattfinden, um einen neuen Vorsitzenden zu bestimmen. Laut Interna ist Tobias Aigner, Jahrgang 1988, der derzeitige Favorit. Der Jurist war bis 2019 Landesvorsitzender der Sozialistischen Jugend in Salzburg, heute arbeitet er für die Österreichische Gesundheitskasse.

Zuvor hatte das Sozialministerium, das für Zivil- und Freiwilligendienste zuständig ist, die Rute ins Fenster gestellt. Bis dato wurde der Auslandsdienst mit 1,2 Millionen Euro pro Jahr gefördert. "Eine Kooperation mit Maislinger als Vorsitzendem ist nicht weiter möglich", hieß es, der Geldhahn sei zu. Weil der Vorsitzende allein vom Vereinsvorstand abgewählt werden kann, wäre dies die einzige Handhabe der Politik.

Die harten Bandagen sollten vielleicht auch eigene Fehler übertünchen. Spätestens seit Herbst 2022 war das Sozialministerium über die Vorwürfe informiert, dank öffentlicher Statements in Sozialen Medien. Man habe bei Maislinger um Aufklärung gebeten, heißt es in einer Stellungnahme. Schon in den Jahren zuvor, sagt der frühere Geschäftsführer des Vereins, habe er im Ministerium wiederholt auf Missstände hingewiesen. Konsequenzen gab es nie.

David Stögmüller, Nationalratsabgeordneter von den Grünen, forderte gegenüber dem FALTER, man müsse nun alle Vorwürfe lückenlos aufklären und die Vereinsstrukturen verbessern. Künftig ist etwa eine Ombudsstelle im Freiwilligengesetz vorgesehen, an die sich Betroffene bei Missständen wenden können.

Immer noch Vereinsmitglied ist jener Mitarbeiter, der die Empörung indirekt ins Rollen brachte. Er soll vor rund zwei Jahren ein Mädchen sexuell belästigt haben, die 18-Jährige erstattete Anzeige. Maislinger soll ihr daraufhin gedroht haben sich umzubringen, weil sie "den Verein zerstöre". Dieser Umgang des pädagogischen Leiters mit einem seiner Schützlinge irritierte viele. Einen offenen Brief an den Vorstand unterschrieben damals mehr als 130 Personen.

Es ist eine gute Nachricht, dass der Verein Auslandsdienst weiter bestehen kann. Eine Auflösung des Vereins hätte viele Jugendliche ins Unglück gestürzt. Für die meisten geht mit der Entsendung ein Traum in Erfüllung. Sie bereiten sich Monate oder Jahre auf ihren Aufenthalt im Ausland vor. Und sie verdienen auch weiterhin alle Chancen.

Ihre Lina Paulitsch


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