Danke, Doyle! - FALTER.maily #1094

Lukas Matzinger
Versendet am 21.05.2023

Es gibt zu viel nachzurufen.

In der Nacht auf Donnerstag starb der märchenfigurige Salzburger Helmut Berger im Schlaf. Der ungefähr fünf Jahre lang der schönste und vielsprachigste und mondänste Schauspieler der Welt war, und ungefähr 50 Jahre lang ein tragischer, ekstatischer, obszöner Gefallener.

Andy Rourke starb mit 59 Jahren am Bauchspeicheldrüsenkrebs. Der bei der besten 80er-Jahre-Band The Smiths so melodisch Bass spielte, wie es nur ein gelernter Gitarrist konnte. Und dessen weiche Seele diese Band zwischen Sängersonderling Morrissey und Gitarrengott Johnny Marr zusammenhielt, bis seine Heroinsucht überhand nahm.

Doch das Folgende soll ihm gelten: Am Sonntag starb Doyle Brunson, der "Godfather of Poker", also die größte Legende des größten Kartenspiels. Der lebende Cowboyhut ist tot.

Doyle Brunson stammte aus einer Welt, in der man zum Hinterzimmerpoker noch eine Knarre mitbrachte, weil Wegelagerer gerne Gewinner ausraubten. Als Kind in der Weltkriegszeit musste er von Longworth, Texas, so weit in die Nachbarsorte laufen, dass ein Klasseathlet aus ihm wurde. Bis beim Sommerjob eine Palette Rigipsplatten sein rechtes Schien- und Wadenbein zertrümmerte.

Also Kartenspielen. Brunson war der erste Mensch, der eine Million Dollar bei Pokerturniern verdiente, er war ein Vater der Weltmeisterschaften in Las Vegas (und ihr Gewinner 1976 und 1977.) Sein Buch Super/System hat Generationen nachfolgender Spieler die "Texas Hold'em"-Pokervariante gelehrt. Die Aggression sei der wichtigste Charakterzug – das Lesen des Gegners die wertvollste Begabung.

Mit, neben und ein bisschen auch wegen Brunson wurde Poker vom Ganovenhobby zum Weltfernsehevent. Seine Gegner wurden über die Jahrzehnte jünger, analytischer, kapuzenpulloviger, doch der Cowboy blieb immer am Tisch – zuletzt im Elektromobil. Mit 1,90 Meter plus Stetson-Hut, mit einem Lächeln und ohne böse Worte sah er seinen Schülern die Bluffs an der Halsschlagader an und bekam als Greis noch Standing Ovations in halb Vegas.

Als junger Mann hatte Doyle Brunson schon den Krebs besiegt. Seine Ärzte nannten es Wunder, er fing danach zu beten an. Jetzt ist Doyle Brunson mit 89 Jahren in seinem Las Vegas gestorben. Fast sieben Jahrzehnte in der Pokerelite enden. Es gibt keinen Nachweis, dass dieses Spiel auch ohne ihn möglich ist.

Ihr Lukas Matzinger


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