Andreas Babler, SPÖ-Chef

Armin Thurnher
Versendet am 05.06.2023

Na, das eskalierte schnell, wie man bei uns auf Twitter zu sagen pflegt. Da sieht man einmal, wie ernsthaft man mit falschen Prämissen diskutieren und die Niederlage des Andi Babler beklagen kann. Zwei Tage öffentliche Aufregung zu Makulatur erklärt, so viel Kommentatorenschweiß umsonst vergossen. Jetzt ist alles anders.

Der FALTER hat das Glück, dass es gerade noch klappte mit dem Schicksal. Fünf Minuten vor Druckschluss überraschte uns die Meldung, dass Andreas Babler der neue SPÖ-Vorsitzende ist. Es war wohl der Nachfrage des ORF-Journalisten Martin Thür zu verdanken, dass jene Verwechslung der Stimmen aufgedeckt wurde, jene rätselhafte Panne, halb Mensch, halb Automat, die dazu führte, dass am Samstag fälschlicherweise Hans Peter Doskozil als Gewinner der Wahl präsentiert wurde. Der sozialdemokratische Beitrag zur österreichischen Staatsoperette!

Man kann es immerhin als Stimmungs-Schnelltest nehmen. Doskozil erwies sich als versöhnlicher Sieger, Andreas Babler als ritterlicher Verlierer. Der Eindruck, den man als unbeteiligter Zuschauer des Parteitags gewinnen musste, dass die politische Leidenschaft in seiner Rede Babler als Führer der Sozialdemokratie qualifizierte, all seinen Hoppalas und unbedachten Äußerungen zuvor zum Trotz, und dieser Eindruck hat sich am Ende doch als richtig herausgestellt. Zumindest bis jetzt.

Bablers Wahl stellt ein Risiko dar, aber es ist das Risiko eines Aufbruchs und eines Neubeginns. Dass die Wahlpanne diesen Zauber ruinierte, mag im ersten Augenblick so scheinen, und die Kommentatoren des ORF taten alles, um diesen Eindruck zu vertiefen.

Es wird auch so sein wie Hans Peter Doskozil sagte, die Partei und er selbst werden sich Häme gefallen lassen müssen, aber das wird vorübergehen. 100 Prozent für Nehammer sind ja nicht viel weniger lustig, und wenn Babler nicht imstande ist, den abgeknickten Zauber des Aufbruchs pronto wieder herzustellen, ist auch er fehl am Platz.

Auch hätte man von Doskozil erwarten müssen, dass er nun eine andere Art der Zusammenarbeit anbietet als seinen politischen Rückzug aus der Bundespolitik. Aber vielleicht ist das ja seine Art des Angebots, Babler in Ruhe zu lassen. Man kann es nur hoffen.

Für den möglichen Neubeginn der Sozialdemokratie spricht auch, dass die Doskozil-Fraktion Triumphalismus vermied, nicht zuletzt in Anbetracht des Schwungs, den Babler ganz offenbar in die Partei brachte.

Die Stellung des Wiener Parteichefs Michael Ludwig ist jedenfalls wieder gestärkt, und es ist zu hoffen, dass der sogenannte Realismus, den er bei Pamela Rendi-Wagner ins Spiel brachte, sich bei Babler in Grenzen hält wie der Liesingbach in den Grenzen der Wildbachverbauung. 

Was jetzt ansteht, ist die Erneuerung einer Partei, die nicht einmal Abstimmungen und Wahlen organisieren kann. Verantwortlich dafür ist das abgewählte Management. Das heißt aber nicht, dass sie keine Wahlen gewinnen kann. Der Test für Bablers politische Klugheit wird darin bestehen, weder der Kinderkrankheit des Linksradikalismus zu verfallen, noch seine sozialpolitische Radikalität aufzugeben.

Sein besonnenes erstes Statement als neuer SPÖ-Chef lässt dafür Gutes ahnen.

Ihr Armin Thurnher

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