FPÖ in Kabul: Die gescheiterte Gefangenenbefreiung - FALTER.maily #1204
Von Wien nach Istanbul und dann weiter mit der afghanischen "Kam Air", einer Fluglinie, die aus Sicherheitsgründen in der EU nicht ...
Alle Jahre wieder, meistens Ende Juni, fällt jemandem in der Redaktion ein, dass man jetzt doch im Feuilleton noch schnell zwei, drei Seiten mit kurzen Empfehlungen für die Strandlektüre füllen sollte. Und wenn die Person, der dieser originelle Einfall diesmal eingeschossen ist, mich wirklich ärgern will, weist sie darauf hin, dass das a) alles kein Aufwand sei, weil b) jede und jeder aus der Redaktion ein, zwei Tipps beitragen könne. Dies gesagt habend, tritt besagte Person am nächsten Tag ihren vierwöchigen Sommerurlaub an.
Vor Kurzem hat die Zeit fünfzehn mehr oder weniger berühmte Schriftstellerinnen und Schriftsteller um „Empfehlungen für diesen Sommer" gebeten. Ich habe sie überflogen und keine einzige gefunden, der ich Folge leisten hätte wollen. Gewiss, Max Frischs Stück „Biedermann und die Brandstifter" wird schon so aktuell sein, wie Eva Menasse behauptet. Aber ich verspüre keinerlei Neigung, mir die Schullektüre von 1975 diesen Sommer noch einmal reinzuziehen. Und ja, es ist immer interessant, darüber zu lesen, was Clemens J. Setz gerade interessant findet; aber, nein, ich habe keinen Bock darauf, im Netz ein PDF des Drehbuchs von Terrence Malicks frühen Meisterwerk „Badlands" aufzustöbern, es auszudrucken und wo-auch-immer zu lesen.
Womit wir gleich beim nächsten Problem wären. Mir ist schon das Konzept „Strandurlaub" ein Rätsel, entsprechend schwer tue ich mit jenem der „Strandlektüre". Welches sind die Kriterien, die Bücher „strandtauglich" machen? Allem Anschein nach sollten diese von einer saisonal und situativ angemessenen „Leichtigkeit" sein – physisch wie inhaltlich. So wie man im Sommer Mozzarella statt Raclette isst und Hugo statt Glühwein trinkt.
Die sechs Bände von Edward Gibbons „Verfall und Untergang des römischen Imperiums" dürften also wohl eher ausscheiden. Charles Dickens’ „Christmas Carol" ist in jeder Hinsicht „leichter", spielt aber in der falschen Jahreszeit. Andererseits ist es keineswegs ausgeschlossen, dass gerade von einer „kontrafaktischen" Lektüre ein besonderer Reiz ausgeht. Warum nicht am Strand von Krk, Rab oder Cres „Die Schrecken des Eises und der Finsternis" lesen oder auf der Hurtigrutenkreuzfahrt zwischen Sandnessjøen und Skjervøy Flauberts „Salambo"?
Tatsächlich ist die Kulturtechnik „Urlaubslektüre" wesentlich breiter und differenzierter angelegt, als man gemeinhin annimmt. Es tut sich hier ein weites Feld auf zwischen schnell wegzulesender Unterhaltungsliteratur, die man dann auch getrost am Strand, im Hotel oder im Bus liegen lassen kann und gewichtigen Büchern, die Konzentration und kontemplative Versenkung erheischen. Und wie sich die sogenannte „Freizeit" auf trügerische und dialektische Weise der „Arbeitszeit" verbunden erweist – bekanntlich dient sie nicht zuletzt dazu, um „die Batterien wieder aufzuladen", also unsere Funktionstüchtigkeit in der Arbeitswelt zu erhalten –, so sind auch Urlaub und Arbeit oft nicht klar voneinander zu scheiden: Ich weiß von einigen Kolleginnen und Kollegen aus der Zunft der Literaturkritiker und Rezensenten, die in ihrem Urlaub schon mal das halbe Herbstprogramm weglesen.
Ich persönlich suche genau das zu meiden und gebe mich zumindest vor Urlaubsantritt der Illusion hin, jetzt endlich einmal Zeit zu finden, um Bücher zu lesen, die ich schon immer lesen wollte oder gelesen zu haben müssen glaube. Davon, wie es ausgegangen ist, werde ich in meinem ersten Post-Urlaubs-Maily berichten.
Ihr Klaus Nüchtern
„Der Ruf des Sommers" ist das Sommerbuch, das mir gleichsam auf den Leib geschrieben wurde. Verfasst hat es der von mir bewunderte britische Autor, Jurist, Philosoph, Veterinär, Taxidermist und Exzentriker Charles Foster. Thema von „The Screaming Sky", so der englische Originaltitel, ist „Das erstaunliche Leben der Mauersegler", einer Vogelart, die ich mit geradezu religiöser Inbrunst verehre – wie unter anderem aus dem Interview hervorgeht, das ich im Juni 2021 mit der ebenfalls britischen Nature-Writing-Ikone Helen Macdonald geführt habe.
Jetzt, Problem: Auf Deutsch erscheint „Der Ruf des Sommers" am 27. Juli. Das ist auch der Grund, warum ich dieses Buch nur zum Vergnügen lesen und aus Protest gegen die Veröffentlichungspolitik des Verlages nicht besprechen werde. So ignorant, ein Buch über die Mauersegler, die Anfang August wieder nach Afrika abschwirren, Ende Juli herauszbringen, muss man erst einmal sein (hier wütendes Emoticon imaginieren).
Mit voluminösen Russen aus dem 19. Jahrhundert kann man nichts falsch machen. Vor ein paar Jahren habe ich Dostojewskis „Idiot" gelesen, den – meiner Vermutung nach – durchgeknalltesten Roman der Weltliteratur. Keine Ahnung, worum es da „eigentlich" geht. Ich kann mich nur daran erinnern, dass ich ständig kichern musste. Vielleicht schaffe ich heuer ja „Die Dämonen" oder „Die Brüder Karamasow" (Zwinker-Emoticon).
Nicht erst seitdem die üblichen Verdächtigen, Glöckner Nehammer abwärts, die Marxismus-Glocken zum Bimmeln bringen, steht „Die Farbe Rot" auf meiner Liste der Endlich-mal-zu-lesenden-Bücher weit oben. Aber die (kritische) Kommunismus-Geschichte des deutschen Historikers und Publizisten Gerd Koenen hat halt 1133 Seiten! (Erschöpfungsemoticon)
In der Strand-, Wald- und Wiesenlektüreempfehlungen vom Sommer 2022 fand sich auch eine zu „Bär", einem relativ schmalen „Roman" der Kanadierin Marian Engel (1933–1985). Es handelt sich dabei um ein glasklares Stück Nature Writing, dessen abseitiger Witz und Charme Christa Thurnher, die im Falter Verlag für den Buchvertrieb zuständig ist, ebenso begeistert hat wie mich (Smiley).
Von Christa (s.o.) gefragt, ob ich wieder eine Urlaubslektüreempfehlung für Sie hätte, habe ich ihr nach dem Muster „Menschen, denen 'Bär' gefallen hat, könnte auch …" ein Exemplar der noch kürzeren, aber nichtsdestotrotz herzzereißenden „Antwort auf den Brief von Helga" des Isländers Bergsveinn Birgisson in die Hand gedrückt. Darin geht es nicht um Sex mit Tieren, aber um Sex und um Tiere (Schafe, um genau zu sein). Ob’s mit der Empfehlung geklappt hat, wird sich weisen (fragendes Emoticon).
Sommerfrische
Das Buch Wildbadeplätze zeigt, dass man auch in der Großstadt inmitten von Natur schwimmen kann und führt auch aufs Land zu friedlichen Flussbädern und zu Seen, in denen sich die Berge spiegeln. Nahezu alle der 100 Badestellen sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Rad erreichbar.
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