Blumenau

Der langjährige FM4-Moderator Martin Blumenau konnte zuweilen eine ziemliche Krätzn sein, aber eine mit ziemlich akkuratem Bullshitdetektor

Nina Brnada
Versendet am 28.07.2023

Kommenden Sonntag jährt sich Blumenaus Tod zum zweiten Mal (Foto: ORF/Ingo Pertramer)

In der Schulzeit, als alle meine Freundinnen und Freunde längst mit Discman unterwegs waren und mit ihren CDs hantierten, hielt ich an meinem Walkman fest. Das Kassettenfach war zwar fast immer leer, aber mein zerkratztes Sony-Modell hatte das Asset Radio. Auf der Seite war ein kleines Rädchen, über das ich mich von Sender zu Sender tastete. Wann immer es geht, schalte ich auch heute noch zu den verschiedensten Radiostationen, als Gymnasiastin aber war die Frequenz 103.8 FM mein Favorit – bis heute die Welle von FM4.

Als eines Tages plötzlich auch auf meinem Lieblingssender Werbung lief, schickte ich einmal ein teeniehaft empörtes Mail an die FM4-Redaktion. Dass ich überhaupt eine Antwort bekam, noch dazu eine ziemlich nette, überraschte mich sehr – mehr noch, dass diese ausgerechnet Martin Blumenau verfasst hatte. In den Nullerjahren war er für meine Generation der Oberkommentator in Sachen Popkultur, Journalismus und Politik.

Jahrelang war ich jeden Mittwoch bis Mitternacht aufgeblieben, um nur ja keinen Bonustrack zu verpassen. Das war Blumenaus Call-in Sendung, in der er mit den interessantesten und absurdesten Anrufern über Gott und die Welt plauderte, stritt oder sie kurzerhand aus der Leitung schmiss. Manchmal auch richtig fies, aber kaum je unverdient. Denn Blumenau konnte zuweilen eine ziemliche Krätzn sein, aber eine mit ziemlich akkuratem Bullshitdetektor.

Dafür, dass ich so viele Stunden mit seinen Radiosendungen verbracht habe, ist erstaunlich wenig Konkretes hängen geblieben. Beispielsweise hörte ich jede Folge der Reihe 49 Songs, an kein einziges Lied kann ich mich erinnern, geschweige denn an seine dazugehörigen Geschichten (sie sind leider auch nicht im FM4-Archiv erhalten).

Geblieben ist ein Eindruck vom Menschen Martin Blumenau, der seine Musik so zu nehmen schien, als sei sie für ihn erschaffen worden. Oder war es doch umgekehrt?

Kommenden Sonntag ist es zwei Jahre her, dass er gestorben ist.

Erst kürzlich, an einem Sonntagabend im Auto, steuerte ich wieder 103.8 an und raffte einige trügerische Momente lang nicht, dass sein Geräusper nicht zu hören sein könnte. 

Ihre Nina Brnada


Nachruf

Nach Martin Blumenaus Tod veröffentlichte der FALTER zwei Nachrufe, von Walter Gröbchen und Miriam Unger.


Blumenau im Falter

Bob Dylans Einfluss auf die österreichische Literatur und Popkultur wird ausführlich im AustroBob seziert, einer der drei Herausgeber des Buchs ist Martin Blumenau, 2014 ist es im Falter Verlag erschienen, hier ist es erhältlich.


Für Radiofans

Wie klingt Radio in der turkmenischen Hauptstadt Aşgabat, in Kathmandu oder im nigerianischen Yola? Auf dieser fantastischen Seite können Sie Live-Radio aus der gesamten Welt empfangen, Sie rotieren einfach den Globus, der angezeigt wird.


Natur und Katastrophe

Im FALTER.natur-Newsletter gibt Benedikt Narodoslawsky heute einen bissigen Monatsrückblick. Warum?

"Was gerade in der Antarktis und in den Weltmeeren abgeht, kann man nur noch unter dem großen Begriff "historisch" einordnen", schreibt er.

Aber beruft das Parlament deshalb eine Sondersitzung ein? Macht die Regierung etwa endlich das Klimaschutzgesetz dingfest? Weit gefehlt. Der Kanzler produziert lieber Videos über normale Schnitzel und verharmlost in seinen "Reden an die Nation" die Auswirkungen des Klimawandels.

Kann einen ganz schön aufrühren alles. Zum Glück sind auch wieder einige lustige Tiervideos und Comics im Newsletter enthalten. Hier können Sie ihn lesen!

Anzeige


Das FALTER-Abo bekommen Sie hier am schnellsten: falter.at/abo
Wenn Ihnen dieser Newsletter weitergeleitet wurde und er Ihnen gefällt, können Sie ihn hier abonnieren.
Weitere Ausgaben:
Alle FALTER.maily-Ausgaben finden Sie in der Übersicht.

"FALTER Arena - Journalismus live" - Baumann/Klenk/Niggemeier/Thür - 1. Oktober, Stadtsaal
Diskussion zum Thema "Lügenpresse? Die Vertrauenskrise des Journalismus"