Es gibt schon wieder eine Kurz-Doku - FALTER.maily #1197
Hierzulande liegen Satire und Realität eng beieinander. Die Kurz-Film-Posse ist so ein Beispiel. Nachdem die Produktionsfirma eines PR-Films ...
Muss in Brüssel die Stellung halten: Der Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius (© Alain Rolland | European Union | EP)
Sind Sie schon auf Urlaub oder arbeiten Sie noch? Manche Menschen stellen Ihre E-Mails auf Ferienmodus, schon bevor sie das Büro verlassen und lassen es noch so, auch wenn sie längst wieder im Dienst sind. Bei mir ist das ganz anders: Auch wenn ich gerade zum Trasimenischen See in Italien fahre, flattern die E-Mails in meinen FALTER-Folder. Das ist das Glück und der Fluch der freien Mitarbeiter·innen: Wir sind nie auf Urlaub. Oder immer.
Für Angestellte sind die freien Tage ein wertvolles Gut, das wertgeschätzt und verteidigt werden muss. Brüssel ist im August zum Beispiel vollkommen verwaist. Einen der höchsten EU-Beamten habe ich heute Vormittag schon in Cortona getroffen, er spazierte gerade beseelt, frisches Gemüse vom Marktstand in Händen, durch die alte etruskische Stadt.
Einer aber muss die Stellung halten, wenn alle baden gehen – damit die EU nicht baden geht, wenn ein Notfall ausbricht. 2017 führte der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein, dass ein Kommissar pro Woche im August in Brüssel Dienst schieben muss. Seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen ist beim Urlaub so diszipliniert wie im Arbeitsalltag – sie gönnt sich im August Familienferien. Dafür schiebt diese Woche der jüngste der EU-Kommissare Notdienst: Der 32-jährige Litauer Virginijus Sinkevičius ist laut dem Nachrichtenmedium Politico der "designierte Kommissar", der die Schlüssel zum Berlaymont, dem Sitz der Kommission, in der Hand hat. Sonst hat er wenig in der Hand, weil die Kommission im August nichts beschließen muss.
Außer eben im Notfall. Der August ist dafür besonders anfällig. 2021 übernahmen die Taliban in dem Monat die Macht in Kabul. Besonders vom August-Fluch befallen scheinen russische Regimes zu sein. Oder die unter ihrem Einfluss stehenden Belarussen. 1991 versuchten sowjetische Betonköpfe mit einem Augustputsch Michail Gorbatschow zu entmachten und den Zerfall der Sowjetunion zu verhindern. Auch das russische Atom-U-Boot Kursk sank im August 2000. Zwei Jahrzehnte später, im August 2020, stahl der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko die Wahlen und schlug die Proteste der demokratischen Opposition brutal nieder. Im August 2021 und den folgenden Monaten ließ Lukaschenko Flüchtlinge an und über die Grenze zu Polen bringen, um in Polen und der EU einen Ausnahmezustand zu schaffen.
Für den sogenannten "August-Fluch" gibt es profane Erklärungen: Wo weniger gearbeitet wird, steigt die Chance auf irreguläre Entwicklungen – Putschversuche und Fehler passieren leichter. Um das in der EU zu verhindern, steht diese Woche Notkommissar Virginijus Sinkevičius bereit. Der litauische Kommissar hatte schon vor seiner Mission in Brüssel eine vielseitige internationale Karriere. Er steht gerade jenem Ressort vor, das im August besonders gefordert sein dürfte: Er ist Umwelt-Kommissar. Er verantwortet eine der wichtigsten Initiativen der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen: den Grünen Deal, mit dem geschädigte Ökosysteme in Europa wieder hergestellt und die Verwendung von Pestiziden bis 2030 um 50% verringert werden sollen. Sein Job ist ein hartes Brot: Ende Juli war er für die EU beim G20-Treffen der Umweltminister – der Juli dürfte zwar der heißeste Monat seit der ersten Messung 1880 gewesen sein, aber die Klimaminister von China, Russland und Saudiarabien und eben Sinkevičius für die EU konnten sich auf wenig einigen, um die Klimakatastrophe aufzuhalten.
Es steht zu hoffen, dass Sinkevičius wenigstens in dieser ersten Augustwoche von EU-Seite her keine akuten Brände löschen muss. Bevor ich jetzt auf den Trasimensischen See paddle – er ist wie der Neusiedler See vom Austrocknen bedroht – wünsche ich Ihnen trotzdem einen schönen sommerlichen Tagesausklang!
Ihre Tessa Szyszkowitz
Als ehemalige Israel-Korrespondentin darf ich Ihnen diese FALTER-Geschichte von Nina Brnada besonders ans schwere Herz legen. Eine israelische Freundin schrieb mir diese Woche voller Wut und Bitterkeit angesichts der undemokratischen Gesetzesreform, die Israels Rechtsregierung durchsetzt, ob es vielleicht doch ein Fehler war, einen jüdischen Staat zu gründen. Ich glaube das nicht, aber es ist bedrückend zu sehen, wie sich Israel immer tiefer spaltet. Zu Ninas eindrucksvollem Text geht es hier.
Ein anderes außenpolitisches Thema, das mich beschäftigt, habe ich diese Woche mit dem langjährigen China-Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung, Kai Strittmatter, besprochen: Was steckt hinter Elon Musks Ankündigung, Twitter in eine sogenannte Everything-App verwandeln zu wollen? Strittmatter hat sich intensiv mit der Entwicklung dieser Apps in China beschäftigt. Sie dienen autoritären Regimen – und vielleicht auch bald machtgierigen Milliardären? – zur Kontrolle unserer Hirne.
Gestern Abend hat das Publikum des FALTER-Sommergesprächs mit Othmar Karas (ÖVP) den halben Innenhof des Museumsquartiers gefüllt (das Gespräch können Sie ab morgen im FALTER-Radio nachhören).
Nächste Woche geht es weiter mit Wien Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr von den Neos. Mit Raimund Löw und Soraya Pechtl spricht er unter anderem darüber, wie Wien klimafit werden kann.
Mittwoch, 9. August, 19h auf der Sommerbühne im großen Innenhof des MQ, der Eintritt ist frei! Alle Informationen finden Sie auch hier.
... gilt die Portofrei-Aktion im Faltershop. Bis nächsten Montag, den 7. August, können Sie aber noch Millionen von Büchern versandkostenfrei und mit gutem Gewissen bestellen. Wo? Hier entlang!
Ab auf die Matte
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