Manker mögen's heiß

Der Theatermacher Paulus Manker hinterlässt auf dem Semmering wieder verbrannte Erde. Wer sind die Komplizen, die das Drama ermöglichen?

Matthias Dusini
Versendet am 22.08.2023

Der 65-jährige Manker auf einem Archivbild. (FOTO: APA/ROBERT JAEGER)

Es ist mehr Kabarett als Komödie. Der Theatermacher Paulus Manker liegt im Clinch mit dem Immobilienunternehmer Christian Zeller, der ihm das Südbahnhotel auf dem Semmering für eine Produktion zur Verfügung stellte. Wie das Profil berichtet, kündigte Zeller bereits im Jänner den Mietvertrag. Manker probte im Südbahnhotel dennoch das Stück „Alma“, ein Stationendrama über die Wiener Salonnière Alma Mahler-Werfel. Bei den seit Ende Juni laufenden Aufführungen eskalierte der Streit. Manker verwehrte Zellers Gästen den Zutritt, Securitys beider Seiten ließen die Muskeln spielen.

Die Schauspielerin Anna Werner Friedmann, eine Alma-Darstellerin, sorgt für eine dramatische Steigerung. Am Ende einer Aufführung kündigte sie an, die restlichen Termine platzen zu lassen, denn sie habe bisher keine Gage erhalten. Das Publikum buhte den Regisseur aus. Manker revanchierte sich, so die Niederösterreichischen Nachrichten, mit dem Zeigen des Mittelfingers. 

Um den Eklat einordnen zu können, bedarf es einer Skandalchronik: Manker spielt „Alma – A Show Biz ans Ende“, ein Stück des israelischen Autors Joshua Sobol, seit 1996. Beim „Alma“-Gastspiel 2007 im benachbarten Kurhaus Semmering hinterließ Manker eine Spur der Verwüstung. Die Bar und das Restaurant des 1909 erbauten Jugendstilgebäudes waren ursprünglich gut erhalten, bis Manker Täfelungen und Fensterbänke herausreißen ließ. Der Pensionist Adrian Wolf, damals in der Organisation tätig, erinnert sich: „Manker hat hier gehaust wie eine Sau.“ 

Vor Gericht endete eine „Alma“-Aufführung 2015 in der Wiener Neustädter Serbenhalle, die Manker mit einer Lokomotive ramponierte. Ein Gericht sprach ihn vom Vorwurf der Sachbeschädigung frei. Auch damals überwarf er sich mit dem Eigentümer der Immobilie, dem Unternehmer Christian Blazek. Manker klagte den Partner sogar auf Schadenersatz, der ihm aus dem abrupten Ende der Spieltätigkeit in der Serbenhalle entstanden sei. 

Mankers Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern füllt ganze Aktenordner. Im Jahr 2020 trug der Falter Vorwürfe zusammen: „Bei Manker werden Menschen in unzumutbare Verträge gezwängt“, sagte der Schauspieler Manuel Bräuer, der auch von Demütigungen, Beschimpfungen und gesundheitlichen Risiken während der Probenarbeit berichtete. Ein Regieassistent erinnert sich an eine Szene: „Manker ging auf die Schauspielerin los und schleifte sie unter wüsten Beschimpfungen durch die Garderobe. Danach hatte die Frau an den Armen blaue Flecken und erhielt über Mail eine ‚Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinn‘.“ Manker wies alle Vorwürfe zurück: „Auf anonyme Anschuldigungen reagiere ich nicht.“ 

Diese Fakten sind wichtig, denn sie zeigen keine Ausnahme, sondern ein Muster: ein Regisseur, der ihm gewogene Sponsoren verklagt und seine Macht missbraucht, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu drangsalieren. Daher stellt sich die Frage, warum dieses unlyrische Ich überhaupt noch eine Bühne bekommt. Dass Manker ein Gebäude, Subventionen, Schauspieler und ein Produktionsteam findet?

Die Beteiligten haben unterschiedliche Motive. Im Fall des Südbahnhotels liegt die Vermutung nahe, dass sich der Eigentümer Christian Zeller Aufmerksamkeit für seine Immobilie erhofft. Zeller versprach eine rasche Modernisierung der maroden Struktur, die bisher nicht stattfand. Von der in Aussicht gestellten Inbetriebnahme ist der alte Kasten weit entfernt. Medienberichte über „Alma“ werten den Standort auf – und machen das Südbahnhotel für potenzielle weitere Investoren interessant. 

Das Ensemble setzt sich teilweise aus Neulingen zusammen, die Warnungen überhören. Oft sind es prekär lebende Kunstschaffende, die jeden Job annehmen und den bekannten Namen Manker in den Lebenslauf schreiben wollen. Weniger Rücksicht haben jene Medien verdient, die den Künstler noch immer als „Berserker“ und „Enfant terrible“ verharmlosen – und so ein unfaires System stützen. 

Manker stilisiert sich zum Außenseiter und greift dennoch Förderungen ab, wo er kann. Er spart bei jungen Talenten und bleibt Technikern die Gage schuldig. Der Zampano teilt gern aus und reagiert auf Kritik mit Klagen. Der Rechtsschutz der Arbeiterkammer hat sich mit dem Fall mehrfach befasst: Forderungen gehe er aus dem Weg, indem er unauffindbar sei, wissen die Juristen.

Ebenso kalkuliert wirken die Provokationen selbst, denn sie rufen die Aufführung des Oldies „Alma“ werbewirksam in Erinnerung. Auf der Messe Buch Wien präsentierte der Profikateur sein "Alma"-Buch. Da er mit dem Lektorat seines Verlags nicht einverstanden war, forderte er das Publikum auf, auf den Amalthea-Verlag zu spucken und bot für jede Attacke 20 Euro.

Zum Komplizen dieser präfaschistoiden Spektakel macht sich auch das Publikum, das die Produktionen durch den Besuch mitfinanziert. Der Stoff aus der Zeit um 1900, der in historischer Umgebung einen morbiden Charme entwickelt, sorgt für ausverkaufte Events. Trotz kritischer Berichte – oder gerade wegen dieser. Einem überholten Geniebegriff anhängend, interpretieren einige Mankers kalkulierte Zerstörungslust als Marotte. Voyeurismus motiviert sie, das politisch unkorrekte Ekel einmal live in Aktion zu sehen. In einem Schmierentheater, das den Verfall des Semmering weiter vorantreibt.

Ihr Matthias Dusini


Noch ein Künstler

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Die Kurz-Anklage

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Und Chefredakteur Florian Klenk kommentiert hier: "Die Schuldfrage zu beantworten ist medienrechtlich verboten", schreibt er, "nur das Gericht darf darüber entscheiden. Medien sollen keine Stimmung für oder gegen Beschuldigte machen. Die Stimmung für den Angeklagten macht Kurz ohnedies schon selbst."


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FALTER:Woche

Den Barbie-Film findet die Wiener Musikerin Anna Mabo super, das Patriarchat taugt ihr weniger und vor Songwriter-Konkurrenz durch eine Künstliche Intelligenz fürchtet sie sich nicht: Dieser Tage erscheint ihr neues Album „Danke, gut“, das ausführliche Gespräch dazu finden Sie in unserer Kultur- und Programmbeilage. Außerdem im neuen Heft: ein Geburtstagsständchen zum 25. Gürtel Nightwalk, zweckdienliche Hinweise zu aktueller Wiener Kunst im öffentlichen Raum, Rezensionen der wichtigsten Kino-Neustarts sowie Ankündigungen zu Klassik- und Popkonzerten, Lesungen und Theaterstücken.

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