"Pädosadistisch und sehr gefährlich": die Anklage im Fall Teichtmeister

Wird Florian Teichtmeister morgen in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen? Der Gerichtspsychiater warnt vor dem kinderpornosüchtigen Sexualstraftäter und gibt ihm doch Hoffnung auf streng kontrollierte Freiheit

Florian Klenk
Versendet am 04.09.2023

Florian Teichtmeister war bis Bekanntwerden der Anzeige Ensemblemitglied im Wiener Burgtheater (Foto: APA/Florian Wieser)

Am Wochenende haben sich rechtsextreme Demonstranten und Verschwörungstheoretiker vor dem angeblichen Elternhaus von Florian Teichtmeister versammelt. Der Mob trug Kuhglocken um den Hals, einen Galgen in der Hand und streute das Gerücht, linke Politiker hätten den geständigen Sexualstraftäter und ehemaligen Burgtheater-Star gedeckt.

Seit Monaten schon wird Teichtmeister in rechten und rechtsextremen Medien als Liebkind einer dekadenten linken Kulturschickeria inszeniert. Man habe weggesehen und den einst so beliebten Schauspieler ("Corsage", Tatort) protegiert, obwohl es genügend Hinweise gegeben habe, dass Teichtmeister Kinderpornos in "unendlichen Datenmengen" (aus der Anklage) gesammelt habe. Stimmt das?

Nein, Teichtmeister wurde nicht protegiert, sondern offenbar Mitte des vorvergangenen Jahres durch einen Hinweis seiner damaligen Lebensgefährtin angezeigt. Das Burgtheater erfuhr kurz darauf von dieser Anzeige via Krone, Teichtmeister redete die Sache klein. Burgchef Martin Kušej ließ sich den Strafakt von Teichtmeister nicht vorlegen. Der Verdächtige wäre dazu nicht verpflichtet gewesen, aber sehr wohl in Erklärungsnot gekommen, hätte er nicht transparent agiert. Ein schwerer Fehler der Burg, die sich von der Identitären Bewegung verspotten lassen musste.

Was hätte man damals im Akt nachlesen können? Und was weiß man über Teichtmeister heute, ein Jahr später? Die Polizei überraschte ihn im Juli 2022 nach einem Hinweis in seiner Wohnung, er übergab der Exekutive USB-Sticks mit Kinderpornos und zudem sein Kokain (100 Gramm), das er unter dem Kopfpolster bunkerte. Die Staatsanwaltschaft stellte das Drogenverfahren ein (Therapie statt Strafe) und klagte Teichtmeister im Dezember 2022 wegen Besitzes, nicht aber wegen Herstellung von Kinderpornos an – ein vergleichsweises mildes Delikt (bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe).

Am 8. Februar hätte der Prozess beginnen sollen, Teichtmeister hätte – da geständig und unbescholten – nur eine bedingte Haftstrafe erwartet, eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher wäre aufgrund des geringen Strafmaßes rechtlich nicht möglich gewesen. Der Gerichtsgutachter Peter Hofmann hatte dem Schauspieler zwar eine Störung attestiert, die "eindeutig in Richtung einer geistigen und seelischen Abartigkeit" gehe. Aber er wolle "noch keine positive Gefährdungsprognose" stellen (juristisch etwas kompliziert ausgedrückt, gemeint ist eine drohende Gefahr). Die Voraussetzungen für eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher seien daher "noch nicht erfüllt", so Hofmann.

Richter Stefan Apostol gab sich – vielleicht auch unter dem Eindruck der medialen Kritik – mit den Gutachten nicht zufrieden und beauftragte den Daten-Forensiker Karsten Theiner, die rund 23 Terabyte auf Teichtmeisters Speichermedien noch einmal zu durchforsten. Mit einer Spezialsoftware fand der Experte diesmal nicht nur rund 76.000 Dateien mit kinderpornografischem Material, sondern darin auch rund 33.000, die Teichtmeister "kopiert oder bearbeitet" hat. Die Spezialsoftware entdeckte auch Videos, die Teichtmeister von sich selbst anfertigte und die ihn als sexuell schwer gestörten Menschen zeigen. Teichtmeister hatte zudem "pädosadistische Texte" (so Staatsanwältin Julia Kalmar) auf Dateien geschrieben. Sie werden in der Anklageschrift zitiert und beinhalten erschütternde und schwer gestörte sadistische Gewaltphantasien, die Teichtmeister offenbar gegenüber kleinen Mädchen hegte.

Die neuen Beweise haben den Gerichtspsychiater nun dazu gebracht, sein Urteil zu revidieren. Teichtmeister, so Peter Hofmann, leide an einer "sexuellen Devianz mit pädosexuellem Inhalt, welche die Dimension einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychologischen Störung erreicht." Es sei eine "hoch dramatische Eskalation der Perversion" festzustellen, "sowohl was die Menge anlangt, als auch was das Inhaltliche anlangt." Hofmann: "Das Ganze kann man nicht auf den Alkohol- und Kokainkonsum reduzieren, das würde zu kurz greifen."

Der Gerichtsgutachter empfiehlt daher, den Angeklagten in den Maßnahmenvollzug einzuweisen, denn "es ist nunmehr davon auszugehen, dass Mag. Teichtmeister mit großer Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit unter dem Eindruck seiner schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung erneut strafbare Handlungen setzen wird."  Hofmann räumt ein, dass er Teichtmeister allerdings "nur" den Besitz oder die Herstellung von kinderpornografischem Material am Computer zutraut, "tatsächliche Hands-On-Delikte sind nicht mit der nötigen Sicherheit bzw. hohen Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren."

Auch die mediale Berichterstattung, so Hofmann habe die Prognose über Teichtmeister verdunkelt. Teichtmeister versuche die "Entwicklungen der letzten Monte für sich positiv darzustellen." In Wahrheit sei er aber "seines gesamten sozialen Prestiges, Einkommens, seiner Zukunftsperspektiven fürs Erste verlustig gegangen." Das seien "Negativfaktoren", die ihn zum Konsum von Drogen, aber auch von Kinderpornografie verleiten könnten.

Muss Teichtmeister also ins Gefängnis? Morgen steht er – vertreten durch die Verteidiger Philipp Wolm und Rudolf Mayer – vor dem Schöffensenat. Hofmann empfiehlt dem Gericht, Teichtmeister eine Behandlung in Freiheit zu ermöglichen. "Angesichts der Unbescholtenheit, der mittlerweile stabilen Einbindung in ein therapeutisches Setting, ist aus forensisch-psychiatrischer Perspektive eine bedingte Einweisung zu empfehlen." Die Voraussetzungen dafür seien, dass "Herr Teichtmeister wie bisher konsequent weiterbehandelt wird. Dabei sind ihm Weisungen zur spezialisierten Psychotherapie, zur fachpsychiatrischen Behandlung, zur absoluten Alkohol- und Drogenabstinenz mit entsprechenden laborchemischen Kontrollen und regelmäßigem Kontakt mit der Bewährungshilfe auszusprechen. Unter diesen Kautelen kann die festgestellte große Gefährlichkeit des Mag. Teichtmeister auch extramural (also außerhalb der Anstaltsmauern, Anm.) unter Kontrolle gehalten werden."

Staatsanwältin Julia Kalmar dürfte sich dem Gutachten nicht anschließen. "Der Angeklagte", so schreibt sie am Ende ihrer 13 Seiten starken Anklage, werde nicht nur "tat- und schuldangemessen zu bestrafen", sondern auch "in einem forensisch-therapeutischen Zentrum unterzubringen sein."

Mit anderen Worten: Teichtmeister solle für einige Jahre in einer Anstalt behandelt werden. Das Urteil wird voraussichtlich morgen Dienstag gesprochen. Vor dem Landesgericht werden vermutlich wieder Extremisten mit dem Galgen demonstrieren.

Ihr Florian Klenk


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