FPÖ in Kabul: Die gescheiterte Gefangenenbefreiung - FALTER.maily #1204
Von Wien nach Istanbul und dann weiter mit der afghanischen "Kam Air", einer Fluglinie, die aus Sicherheitsgründen in der EU nicht ...
Es ist nicht alles Gold, was unter der Discokugel glänzt (Foto: Gerhard Stöger)
Vergangenes Wochenende bin ich einer alten Bekannten über den Weg gelaufen. Eine kurze Begegnung, wir hatten einander ewig nicht gesehen. Sie hat Anfang der Nullerjahre mit dem Auflegen begonnen, elektronische Tanzmusik, und bald erfolgreich ihre eigene Clubnacht etabliert. Leiwander Vibe, trashiger Chic, anspruchsvolle Bookings, trotzdem keine elitäre Musiknerdwichtigmacherei.
"Und, #technometoo, was sagst?", fragte ich sie, die dem Nachtleben irgendwann entwachsen war und inzwischen sogar ihre DJ-Platten verkauft hatte. "Hab ich gar nicht richtig mitbekommen, gerade hat's mir wer erzählt", meinte sie. "Aber: Wundert's dich?"
Die Indie-Gitarrenband, der Rapper, die Punksängerin, sie alle waren mir musikalisch immer näher als Techno im weitesten Sinne. Aber mir gefiel die Idee des Clubs als egalitärem Raum, als einer utopischen Gegenwelt, verwurzelt in der schwul-hedonistischen Discokultur der 1970er.
Mir taugte in den 1990ern die Wucht und Kompromisslosigkeit gewisser Techno-Produktionen sowie der anarchische Anti-Star-Gestus dahinter. Punk und Do-It-Yourself-Kultur, umgesetzt mit Maschinenklängen. Innovationslust, kombiniert mit fortschrittlichen politischen Ansätzen. Und natürlich das Miteinander on the Dancefloor als Gegenstück zur gesellschaftlichen Ich-AG-Werdung; der kollektive Rausch als lustvolles Nein zu Spießertum und Langeweile.
Dann tauchen da diese Vorwürfe auf: Frauen, die im Wiener Nachtleben von sexuellen Übergriffen betroffen waren; die ganz ähnliche Erfahrungen mit denselben Typen gemacht hatten; die von der männlichen Dominanz hinter den Kulissen sprechen und erschütternde Dinge berichten (meine Kollegin Daniela Krenn hat ausführlich darüber geschrieben, unter anderem hier und ganz aktuell hier). Und die Typen? Fühlen sich – das Muster ist stets dasselbe – missverstanden, zu Unrecht beschuldigt, hexenverfolgt, wollen klagen.
Ob mich das alles wundert? Ehrlich gesagt: Ja. So naiv das klingen mag, hielt ich die Club-Subkultur doch in ihrer Gesamtheit für einen tendenziell aufgeklärten, progressiven Ort – wie Popkultur ganz generell Freiräume schaffen, in Opposition zur Gesellschaft treten und emanzipatorische Bestrebungen vorantreiben kann.
"Wie war das denn bei dir damals?", frage ich die einstige Club-Aktivistin. Ich hatte sie als Checkerin in Erinnerung und erwartete mir eine Antwort der Marke "Wer mir blöd kam, bekam eine geschmiert oder ein Bier ins Gesicht geschüttet". Tatsächlich folgte eine Gegenfrage: "Was, glaubst du, waren die beiden Dinge, die ich meinen prominenten männlichen Gast-DJs immer besorgen musste? Koks und Weiber. Immer Koks und Weiber! Was für ein erbärmliches Klischee."
Dann kam die U-Bahn, das Gespräch war zu Ende. Seitdem schwirrt mir dieses "Koks und Weiber" durch den Kopf. Nix gegen Grenzüberschreitung und Kontrollverlust. Nur: Wie armselig ist bitte so ein Exzess auf Bestellung, eine Ausschweifung nach Regelbuch? Welches männliche Neandertalerdenken liegt dieser Forderung überhaupt zugrunde?
Und was ist – 15, 20 Jahre später – derart schwer zu verstehen an "Nein heißt Nein" – oder noch besser: "Nur Ja heißt Ja"? Was genau spricht gegen ein Mindestmaß an Umgangsformen, unter anderem im Nachtleben (im Tagleben aber eh auch)? Und wieso klagen Frauen 2023 nach wie vor – oder schon wieder – über männliche Dominanz und Boysclub-Seilschaften im Partybereich, waren wir da nicht schon weiter?
"It’s the patriarchy, stupid!", lautet vermutlich die simple Antwort. Sie macht mich gerade ziemlich müde.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende und ein von Übergriffen freies Saturday Night Fever.
Ihr Gerhard Stöger
Am Samstag findet von 15 bis 22 Uhr eine Technoparty im Wiener Sigmund Freud Park statt, die offiziell unter Demonstration läuft: #technometoo Demo.
Die Süddeutsche Zeitung brachte kürzlich ein äußerst kurzweiliges Interview mit dem britischen Achtzigerjahre-Popstar Samantha Fox ("Touch Me"). Unter anderem gibt die als Pin-up Model berühmt gewordene Sängerin darin zweckdienliche Hinweise für den Umgang mit depperten Typen:
Haben Sie auch sexuelle Übergriffe erlebt?
Nur zweimal in meinem Leben, beide Male auf einer Toilette. Zum Glück mache ich Kampfsport, seit ich 14 Jahre alt war.
Wie wehrten Sie sich?
Knie zwischen die Beine, und wenn er zu Boden sackt, mit dem Ellenbogen feste ins Gesicht. War stets sehr effizient, kann ich allen Frauen nur empfehlen.
Das komplette Interview können Sie hier kostenpflichtig nachlesen.
Ich bin die vergangenen Tage für die Arbeit an der nächsten FALTER:Woche-Titelgeschichte intensiv in die wunderbare Welt der isländischen Pop-Künstlerin Björk eingetaucht – und dabei über dieses fantastische Rolling-Stones-Cover gestolpert, das sie 1994 bei der Verleihung des Musikpreises BRIT Awards gemeinsam mit ihrer britischen Kollegin PJ Harvey aufgeführt hat. Die Stones selbst haben diese Woche übrigens eine neue Single veröffentlicht. Ob "Angry" auch einmal derartige Coverweihen erfahren wird? Ich bezweifle es.
In Wien finden derzeit gleich zwei empfehlenswerte Musikfestivals statt. Zu Waves Vienna, der noch heute und morgen laufenden Börse für Popentdeckungen, haben Sebastian Fasthuber und ich in der FALTER:Woche diverse Empfehlungen ausgesprochen. Anlässlich von Unsafe+Sounds wiederum, dem bis 17. September dauernden Festival für Avantgardepop und Clubmusik, hat mein Kollege Matthias Dusini die Veranstalterin Shilla Strelka fürs Feuilleton interviewt.
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